Grundrechte für Geimpfte: Eine Frage zwischen Recht und Moral

Corona Personen mit vollem Impfschutz sollen von Lockerungen profitieren

Eine Impfung schützt vor unangenehmen oder gar tödlichen Folgen von Covid-19. So viel stand bisher fest. Lange Zeit war jedoch unklar, inwieweit von Geimpften oder Genesenen noch eine Gefahr für Mitmenschen ausgeht. Ein Segen für die Politik, denn so konnte die "Gerechtigkeitsdebatte" um Grundrechte für Geimpfte wenigstens für ein paar Monate aufgeschoben werden. Jetzt ist sie in vollem Gange und wirft dutzende Fragen auf: Sollten Personen mit vollem Impfschutz ihre Grundrechte unverzüglich zurückerhalten? Oder sollten alle gemeinsam unter den Anti-Corona-Maßnahmen leiden, bis alles vorbei ist? Darf ein Teil der Bevölkerung im Biergarten sitzen, während der andere neidisch zuschauen muss? Dürfen Geimpfte in den Urlaub fliegen, während andere, die noch auf einen Termin warten, zum Spazierengehen verdonnert werden?

Klar ist: Menschen, von denen keine Gefahr mehr ausgeht, einen Teil ihrer Grundrechte vorzuenthalten, ist verfassungswidrig. Das alleine rechtfertigt jedoch nicht den Verzicht, eine moralische Frage zu klären: Sollten vollständig Geimpfte von allen Corona-Maßnahmen befreit werden, obwohl ein Großteil der Bevölkerung noch gar kein Impfangebot erhalten hat?

Sachsen hat sich positioniert

Einige Bundesländer hatten es bereits getan, der Bund will diese Woche nachziehen und auch Sachsen hat sich mittlerweile zu den Lockerungen für Menschen mit vollständigem Impfschutz geäußert. Die neue Corona-Schutzimpfung gilt ab dem 10. Mai und enthält auch wichtige Punkte für Geimpfte und Genesene. Für sie entfällt künftig die Testpflicht, die für die Nutzung von Dienstleistungsangeboten unter Pandemiebedingungen derzeit noch erforderlich ist. Geimpfte und Genesene werden mit negativ Getesteten gleichgestellt. Allerdings greift die neue Corona-Schutzverordnung erst, wenn die 7-Tage-Inzidenz in den Landkreisen und kreisfreien Städten unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern sinkt.

Als geimpft gilt, wer zwei Dosen der aktuell zugelassenen Impfstoffe erhalten hat. Die letzte Impfung muss mindestens 14 Tage zurückliegen. Genesene müssen den Nachweis eines positiven PCR-Labortests vorlegen, der mindestens 28 Tage und höchstens sechs Monate zurückliegt. Auch eine ärztliche Bescheinigung ist möglich. Menschen, deren Covid-19-Erkrankung länger als sechs Monate zurückliegt, brauchen zusätzlich eine einmalige Impfung. Es gibt aber auch Ausnahmen von den Lockerungen für Geimpfte: So sind in Pflegeheimen und Krankenhäusern weiterhin regelmäßige Tests nötig. Aus gutem Grund...

Geht von Geimpften wirklich keine Gefahr mehr aus?

Das Robert-Koch-Institut (RKI) erkläre jüngst: Nach gegenwärtigem Kenntnisstand, sei das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen. Das heißt im Klartext: Man könne Doppeltgeimpften eher vertrauen als Menschen mit negativem Schnelltest.

Ein Studie aus Großbritannien mit 370.000 Probandinnen und Probanden kommt zu dem Schluss, dass 21 Tage nach der ersten Impfung die Wahrscheinlichkeit, sich mit Sars-CoV-2 zu infizieren, um 65 Prozent niedriger ist. Die Wahrscheinlichkeit einer asymptomatischen Infektion ist nach der zweiten Dosis um etwa 70 Prozent reduziert, Infektionen mit Symptomen um etwa 90 Prozent. Einen hundertprozentigen Schutz vor einer Corona-Infektion bieten die Impfungen also nicht - genauso wenig wie eine überstandene Infektion. Geimpfte und Genesene können somit nach wie vor Teil einer Infektionskette sein, aus der sich große Ausbrüche entwickeln - allerdings wesentlich seltener.

Problem Impfnachweis

Noch vor den Sommerferien sollen laut Bundesregierung digitale EU-Impfnachweise ausgestellt werden. Geimpfte sollen sich den sogenannten grünen Pass aufs Smartphone holen oder in Papierform ausstellen lassen können. Laut Welt am Sonntag, die sich auf Aussagen des Bundesgesundheitsministeriums beruft, gibt es allerdings eine riesige Sicherheitslücke. Demnach erhalten Bürger das Zertifikat nicht nur bei ihrem impfenden Arzt oder im Impfzentrum: Alternativ sei es auch möglich, den gelben Impfausweis mit einer gültigen Covid-19-Impfung in einer Apotheke vorzulegen. Es erfolge dann eine Umschreibung in das EU-Zertifikat.

Das Problem: Eine Überprüfung der Impfung durch Rücksprache mit dem ausführenden Arzt oder dem jeweiligen Impfzentrum findet dabei nicht statt. Dabei lassen sich die gelben Impfausweise problemlos fälschen. Die Papierheftchen beinhalten lediglich einen handschriftlichen Vermerk, einen Stempel der Arztpraxis und einen Aufkleber vom Etikett der Impfdosis. Da die Etikettaufkleber nicht mit speziellen Sicherheitsmerkmalen wie Hologramme oder speziellen Prägungen versehen sind, lassen sich diese leicht kopieren - etwa mittels Fotos aus dem Internet - und einkleben.

 

Allerdings gibt es da ein kleines Problem: Wie sollen die Geimpften und Genesenen ihre Freiheiten einfordern? Mit Impfpässen, die mit jedem besseren Farbkopierer zu fälschen sind? Oder mit irgendwelchen Bescheinigungen von Kliniken über eine durchgemachte Infektion? Was sollen Gastwirte, Hoteliers und Polizeibeamte machen, wenn ihnen solche Papiere in bunter Vielfalt unter die Nase gehalten werden?

 



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