Diskriminierung in Sachsen: Jeder zweite musste diskriminierende Erfahrungen machen

Studie "Diskriminierung erlebt?! Diskriminierungserfahrungen in Sachsen" stellt Ergebnisse vor

Jeder und jede zweite von mehr als 3.700 Befragten in Sachsen hat bereits Erfahrungen mit Formen von Diskriminierung gemacht. Das ist das Ergebnis der heute von der Landesbeauftragten für Antidiskriminierung, Dr. Andrea Blumtritt, gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) vorgestellten Studie "Diskriminierung erlebt?! Diskriminierungserfahrungen in Sachsen". Die Studie wurde vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (SMJusDEG) in Auftrag gegeben und vom DeZIM umgesetzt.

16 Prozent der Befragen sind Opfer sexueller Belästigung

Für den Erhebungszeitraum der Jahre 2019 bis 2021 gaben beispielsweise 16 Prozent der Befragten an, mindestens einmal sexuelle Belästigungen erlebt zu haben. Neun Prozent gaben an, körperliche Gewalt und sieben Prozent, sexualisierte Gewalt erfahren zu haben. Andere Formen der Diskriminierung sind zwar weniger gravierend, aber dafür häufiger. Fast ein Drittel aller Befragten haben es schon mindestens einmal erlebt, dass ihnen Intelligenz oder eigene Fähigkeiten abgesprochen (29 Prozent), ihre Leistungen abgewertet wurden (28 Prozent) oder dass sie in Behörden respektlos behandelt wurden (27 Prozent).

 

Die Studie fragte unterschiedliche Formen von Diskriminierung entlang des Geschlechts, der religiösen Zugehörigkeit, der äußeren Erscheinung, des Lebensalters, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, aufgrund von rassistischen Zuschreibungen, der Herkunft und dem sozioökonomischen Status ab. Die geschilderten Erfahrungen reichen von sozialen Herabwürdigungen wie respektloser Behandlung, der Abwertung eigener Leistungen oder Benachteiligungen bei der Wohnungssuche bis hin zu Erfahrungen von sexueller Belästigung oder körperlicher Gewalt.

Erfahrungen sichtbar machen

Dazu Dr. Andrea Blumtritt, Landesbeauftragte für Antidiskriminierung: "Die vorliegende Studie stellt die Erfahrungen, die Menschen in Sachsen hinsichtlich Diskriminierung gemacht haben, in den Mittelpunkt. Es ist wichtig, diese Erfahrungen zu hören und sichtbar zu machen. Diskriminierungserfahrungen können für Betroffene neben materiellen Nachteilen, wie zum Beispiel einen Arbeitsplatz oder eine Wohnung nicht zu bekommen, auch mit gravierenden emotionalen und gesundheitlichen Folgen einhergehen. Darüber wird noch zu wenig gesprochen. Die gesellschaftliche Sensibilität für Diskriminierung zu erhöhen und den Diskriminierungsschutz in Sachsen mit geeigneten Maßnahmen zu stärken - darauf wird der Fokus der weiteren Antidiskriminierungsarbeit in Sachsen liegen."

Studienergebnisse fließen in Vielfalts- und Antidiskriminierungsarbeit ein

Ganz aktuell werden die Ergebnisse in den Fortschreibungsprozess des Landesaktionsplanes Vielfalt einfließen, welcher im September mit einem umfangreichen Beteiligungsprozess aufgenommen wurde. Aufbauend auf den Ergebnissen beider Studien, "Lebenslagen von lsbtiq* Personen in Sachsen" und "Diskriminierungserfahrungen in Sachsen" werden nun die Landesstrategien der Vielfalts- und Antidiskriminierungsarbeit weiterentwickelt.

Folgen von Diskriminierungserfahrungen

Diskriminierungserfahrungen haben für Betroffene teils gravierende emotionale und gesundheitliche Folgen. Fast die Hälfte der Befragten (45 Prozent) nannte Depressionen oder andere Belastungsstörungen als Folge. 27 Prozent der Befragten gaben körperliche Beschwerden an. Mehr als zwei Drittel der Befragten in der Betroffenenbefragung gaben an, infolge von Diskriminierungserfahrungen öfter traurig oder gestresst zu sein.

Anstieg von antiasiatischem Rassismus

"Besonders groß ist das Risiko, diskriminiert zu werden, für queere Menschen, für Menschen mit Behinderungen sowie Menschen, die von rassistischen Zuschreibungen betroffen sind", sagt Prof. Dr. Sabrina Zajak, Leiterin der Abteilung "Konsens & Konflikt" am DeZIM-Institut. "Während der Pandemie haben zudem besonders Alleinerziehende und Menschen, die zu einer Risikogruppe gehören, verstärkt Diskriminierung erfahren. Viele Betroffene berichteten zudem von einem Anstieg von antiasiatischem Rassismus."

Seltene Nutzung von Beratungsstellen

Obwohl es institutionalisierte Möglichkeiten gibt, spezialisierte Beratungsstellen, sich beispielsweise gegen sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu wehren und sich zu beschweren, werden diese Möglichkeiten selten genutzt. Die meisten Betroffene suchen einen individuellen Umgang mit Diskriminierungserfahrungen, etwa durch Gespräche mit nahestehenden Personen.

 

Hintergrund der Studie

 

Die Bevölkerungsbefragung in Sachsen fand zwischen dem 1. Juni - 9. September 2021 statt, daran nahmen 2.169 Menschen teil. Zuvor wurde zwischen dem 11. März - 30. Juni 2021 in Sachsen eine Betroffenenbefragung durchgeführt, die sich gezielt an Personen mit Diskriminierungserfahrungen richtete, daran nahmen 1.576 Menschen teil. Die Ergebnisse der Betroffenenbefragung flossen in das Gesamtergebnis ein und ermöglichen weitere Analysen. Zum Vergleich wurde im Juni 2021 eine bundesweite Bevölkerungsbefragung bundesweit (außer in Sachsen) durchgeführt. Gefragt wurde, ob und welche Art von Diskriminierung Menschen zwischen Frühjahr 2019 und Frühjahr 2021 erlebt haben.

 

Erstmals wurde für diese Studie nach verschiedenen Formen der Diskriminierung in Sachsen gefragt - entlang des Geschlechts, der religiösen Zugehörigkeit, der äußeren Erscheinung, des Lebensalters, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, aufgrund von rassistischen Zuschreibungen, der Herkunft oder dem sozioökonomischen Status. Verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen aus dem Bereich der Antidiskriminierungsarbeit haben diese Studie mit ihrer Expertise unterstützt. Da dieser Zeitraum maßgeblich durch die Covid-19-Pandemie geprägt war, wurde zudem gefragt, wie sich die Pandemie und die Maßnahmen zu deren Eindämmung auf Diskriminierungserfahrungen ausgewirkt haben.

 

Die Ergebnisse der Studie in Sachsen unterscheiden sich kaum von den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung, die zum Vergleich durchgeführt wurde, noch von Studien mit ähnlicher Ausrichtung.

 



  Newsletter abonnieren

Euer News-Tipp an die Redaktion