Nach dem Teileinsturz der Dresdner Carolabrücke stehen Sachsens Brücken auf dem Prüfstand. Im Fokus stehen vor allem sogenannte Spannbetonbrücken aus den 1960er bis 1980er Jahren. Bei dieser Bauart drohen Schäden durch Korrosion im Spannstahl, die unter bestimmten Bedingungen plötzlich zum Versagen führen kann. Dies gilt als Ursache für den Teileinsturz der Carolabrücke.
Erste Auswirkungen gibt es bereits: In Bad Schandau führten neue Messergebnisse zur Sperrung der Elbbrücke. Auch in Dresden wurden zusätzliche Sicherungsmaßnahmen nötig.
Sonderprüfungen an 19 Brücken
Für insgesamt 19 Brücken auf Bundes- und Staatsstraßen kündigte Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) Sonderprüfungen an, bei denen erstmals auch das Innere der Bauwerke begutachtet wird. Die Brücken gelten jedoch nicht als einsturzgefährdet, wie Dulig betonte. Abhängig von den Untersuchungsergebnissen kann es zu Verkehrseinschränkungen bis hin zu teilweisen oder vollständigen Sperrungen kommen. Auch Ersatzneubauten könnten notwendig werden.
Neun der Brücken werden den Angaben nach mit höherer Priorität behandelt. Das sind die Agra-Brücke im Leipziger Süden, drei Brücken in Bad Schandau sowie Brücken an der Bundesstraße 169 über den Gärtitzer Bach, an der Bundesstraße 156 bei Uhyst, an der Staatsstraße 46 über die Pleiße bei Markkleeberg, an der Staatsstraße 127 und an der Bundesstraße 101 bei Großenhain.
Die Prüfungen aller 19 Brücken werden nach und nach abgearbeitet. Bis Ende des ersten Quartals 2025 sollen sie abgeschlossen sein. Dann werde man wissen, wo der Bedarf am größten sei. Für die Finanzierung der Maßnahmen kündigte Dulig einen Sondertopf an. Darüber sei er sich mit Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) einig.
Untersuchungsergebnisse in Bad Schandau bis Ende des Jahres
Ein erstes Ergebnis der Sonderprüfungen ist die Sperrung der Elbbrücke in Bad Schandau seit dem 7. November. Grund sind Längsrisse im sogenannten Unterspannband, die die Tragfähigkeit gefährden. Die Brücke ist seither komplett gesperrt.
In den kommenden Wochen werden weitere Untersuchungen und statische Nachrechnungen durchgeführt. Laut Angaben des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr wird der Beton am Unterspannband der Brücke geöffnet, um mögliche Schäden am darunterliegenden Stahl erkennen zu können. Außerdem wird die Festigkeit des Materials bewertet.
Mit den Ergebnissen wird noch bis Ende des Jahres gerechnet. Auf deren Grundlage wird dann über die weitere Nutzung der Brücke entschieden.
Parallel läuft die Suche nach Lösungen für die angespannte Verkehrslage vor Ort. "Wir sind im Gespräch mit der Bundeswehr und dem THW über die Nutzung eventueller Pontonbrücken", sagte Dulig.
Sicherungsmaßnahmen an zwei Brücken in Dresden
Sonderprüfungen hat auch die Landeshauptstadt Dresden veranlasst. Dort werden zwei Brücken im Stadtzentrum teilweise gesperrt, weil zusätzliche Sicherungsmaßnahmen notwendig sind. Bei der Nossener Brücke, für die wegen ihres schlechten Zustands bereits ein Neubau geplant ist, wurden nach Angaben der Stadt drei neue Risse entdeckt. Daher werden voraussichtlich im Dezember zwei der vier Spuren gesperrt, temperaturbedingt kann die Reparatur der Risse erst im April beginnen.
Daneben wird Brücke Budapester Straße für die Installation eines akustischen Überwachungssystems am kommenden Wochenende tagsüber jeweils in eine Richtung pro Tag gesperrt.
Zu den beiden noch stehenden Brückenzügen der Carolabrücke, über die zuvor der Autoverkehr lief, wird Mitte Dezember eine Entscheidung erwartet. Bis dahin sollen die Ergebnisse der Prüfungen zur temporären Standsicherheit vorliegen, aktuell laufen sie noch. Die Carolabrücke bestand aus drei Verkehrssträngen. Der westliche Zug C mit Straßenbahntrasse brach in der Nacht zum 11. September auf einer Länge von etwa 100 Metern ein.
Auch ein Wiederaufbau der zentralen Dresdner Verkehrsader wird bereits diskutiert. Es wird mit Kosten von mehr als 100 Millionen Euro gerechnet. Zur Finanzierung schlägt die Linke Stadtanleihen nach dem Vorbild Münchens vor, wie die Stadtratsfraktion der Partei mitteilte. Bei dieser Anlageform bieten Kommunen regelmäßige Zinsen und einen festen Rückzahlungstermin. Die bayerische Landeshauptstadt bot 2020 erstmals Stadtanleihen in Höhe von insgesamt 120 Millionen Euro an, die Gelder wurden in bezahlbaren Wohnraum und Bildungsinfrastruktur investiert.
Für Großteil der Brücken in Sachsen Kommunen zuständig
Bei den rund 2.500 Brücken auf Bundes- und Staatsstraßen, für die der Freistaat zuständig ist, befinden sich laut Angaben des Verkehrsministeriums 90 Prozent in sehr gutem bis ausreichendem Zustand.
Für die etwa 8.000 Brücken in Zuständigkeit von Landkreisen, Städten und Gemeinden liegt keine Übersicht vor. Hinzu kommen rund 1.100 Brücken auf Autobahnen in Zuständigkeit des Bundes und rund 1.900 Eisenbahnbrücken in Verantwortung der Deutschen Bahn.