Die Sicht wird unscharf oder die Führerscheinprüfung steht bevor - als Anlaufstelle gilt bei solchen Anliegen der Optiker. Mittlerweile gibt es diese wie Sand am Meer und obwohl eine Brille individuelle Anpassung braucht, wächst der Online-Markt stetig weiter. Fälschlicherweise gilt die weitverbreitete Annahme, dass kleine Betriebe hierbei immer teurer sein müssen. So entscheidet man sich für eine günstige Brille, die oft ohne ausreichende Beratung gekauft wird. Wir waren im Gespräch mit Margita Rosser, die als Optikerin seit 1979 in einem mittelständischen Betrieb auf der Frankenberger Straße in Chemnitz tätig ist. Sie erzählt von den schönen Erlebnissen in ihrem Beruf und wie sie Menschen einen neuen Blick auf ihre Umwelt ermöglicht.
Frau Rosser, wie sind Sie zu Ihrem Beruf gekommen?
Ich bin seit 1979 Optikerin und bin zufälligerweise zu diesem Beruf und in diesen Betrieb gekommen. Zu DDR-Zeiten war es nicht immer unbedingt so, dass man sich den Beruf aussuchen konnte. Aber ich wollte was mit Menschen und Handwerk machen. Da hatte ich bereits an Zahntechnik, Uhrmacher, Goldschmied, oder Optiker gedacht. Es hat damals zufällig mit dem damaligen Chef in diesem Betrieb gepasst, der zu der Zeit jemanden gebraucht hatte. Ich habe dann hier im Betrieb Augenoptik Kuhlbrodt gelernt.
Wie sieht die Optikerausbildung aus?
Also wir hatten damals zu DDR-Zeiten schon sehr gute Ausbildungen im Handwerk. Nach der Wende habe ich dann meinen Meister gemacht.Jetzt hat sich natürlich einiges geändert. Die Ausbildung dauert jetzt etwas länger. Es wird natürlich noch das Handwerkliche gelehrt, aber es wird jetzt auch Augenmerk auf vergrößernde Sehhilfen, Kontaktlinsen und Marketing gelegt. Es sind eben bestimmte Bereiche dazu gekommen. Die Entwicklung geht weiter.
Würden Sie sagen, dass die großen Filialen die kleineren Optiker-Betriebe verdrängen?
Also es ist schon so, dass die großen Filialen werbetechnisch eine größere Präsenz haben. Eigentlich liegt es aber am Kaufverhalten der Leute. Das größte Problem ist eigentlich, dass die Leute nicht mehr vergleichen, sondern nach der Mentalität "Geiz ist geil" kaufen. Mittlerweile hat sich der Glaube etabliert, dass die kleineren und mittelständischen Betriebe immer teurer sein müssen - was nur bedingt stimmt. Die andere Seite ist, dass in im Schnelldurchlauf und in der Masse, in der die großen Filialen verkaufen, auch weniger Beratung gegeben ist. Außerdem wird die Auswahl natürlich auch eingeschränkt, weil von Oben diktiert wird, welcher Glasanbieter gerade welche Gläser besonders günstig eingekauft hat und diese dann auch an den Mann gebracht werden sollen. Wenn man aber nun Äpfel und Äpfel vergleicht: sie kriegen beim Discounter eine Gleitsichtbrille auch nicht geschenkt. Kunden, die nach einiger Zeit zu uns gewechselt sind waren erstaunt, dass die Preise für ähnliche Produkte gar nicht so sehr abweichen. Große Preisunterschiede zeigen sich da eher bei Einstärkegläsern. Ich will nicht sagen, dass es bei Einstärkegläsern nicht so darauf ankommt, aber bei einer Gleitsichtbrille braucht es sehr viel Beratung, Messungen, Hintergrundwissen und Erfahrung. Bei Einstärkegläsern fallen den Kunden die Qualitätsunterschiede vielleicht nicht so sehr auf.
Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem Beruf?
Das Schönste für mich in diesem Beruf ist, dass er sehr abwechslungsreich ist. Vor allem in einem kleinen Unternehmen, denn in einem Discounter sind Sie immer einseitig festgelegt. Entweder arbeiten Sie im Verkauf oder nur in der Werkstatt oder nur im Refraktionsraum. In einem kleinen Betrieb machen Sie im Prinzip alles, dadurch ist das sehr abwechslungsreich. Es ist ein sehr schöner Beruf, weil es immer wieder ein Aha-Erlebnis ist, wenn jemand nichts sieht oder nicht gut und am Ende rauskommt und sagt "toll!". Dass man den Leuten bei ihren Problemen helfen kann, ist außerdem ein großer Aspekt. Vor allem kann man als Optiker aber kreativ sein. Das betrifft das Handwerkliche, aber man braucht auch modischen Geschmack. Es ist also sehr vielfältig. Natürlich hat man auch viel Kundenkontakt, was ich sehr schön finde. Das geht verloren bei Online-Käufen. Ein großer Teil der Beratung fällt weg und das haben die Unternehmen gemerkt. Sie suchen sich nun Niederlassungen damit sie das verbinden können.
Gibt es etwas, das Sie nicht so schön finden an Ihrem Beruf oder etwas, dass Sie nervt?
Ja, aber eigentlich hat das nicht direkt mit dem Beruf zu tun. Mich nervt überbordende Bürokratie und die Umstände, die den Mittelstand immer ungünstiger und schwieriger machen. Das kostet alles sehr viel Zeit, die noch neben dem Tagesgeschäft aufbringen muss.
Wie handhaben Sie die Corona-Pandemie in Ihrem Geschäft zurzeit? Haben Sie viele Veränderungen, z.B. im Umgang mit Kunden gemerkt?
Einzig schwierig war der Lockdown für uns. Zu dieser Zeit konnten die Kunden nicht aus dem Haus und auch wenn wir öffnen durften, als systemrelevanter Beruf, kamen wenig Kunden. Auch unsere gewohnten Hausbesuche dürfen wir zurzeit nicht anbieten. Und da man nicht wusste, wie lange das andauert, hatte man natürlich wirtschaftliche Existenzängste, das ist ganz klar. Dadurch, dass wir uns bislang auch immer viel Zeit für die Kunden genommen und nach Möglichkeit Termine vereinbart haben, handhaben wir das jetzt genauso. Die Kunden haben mit den Terminvorgaben kein Problem, im Gegenteil, sie finden es eher sehr entspannt. Dadurch, dass wir den Kundenstrom besser organisieren können, ist es auch möglich effizienter zu arbeiten und bislang noch verkürzte Öffnungszeiten anzubieten. Das sind natürlich auch Kosten, wenn ein Geschäft Montag bis Samstag durchgängig geöffnet hat, aber im Endeffekt die gleiche Anzahl von Kunden kommt, die man auch an drei Werktagen bedienen könnte. Wenn sich die Corona-Situation sich wieder entspannt und wieder der normale Kundenstrom kommt, ist das wieder eine andere Sache.
Bilden Sie denn selbst Azubis hier im Betrieb aus?
Wir haben früher viele Azubis ausgebildet, aber die letzten Jahre nicht mehr. Einfach aus dem Grund, dass es einmal eine Phase gab, wo es wirtschaftlich keinen Sinn gemacht hat. Die Demographie hat sich ja geändert, sodass es jetzt mehr Bedarf an Lehrlingen gibt. Aber ich bin jetzt 60 Jahre alt und finde es macht keinen Sinn mehr für mein Geschäft. Wenn jemand eine gute Lehrlingsausbildung absolvieren möchte, muss man in den dreieinhalb Jahren viel Geld und Zeit investieren.
Blieben die Azubis dann normalerweise in Ihrem Betrieb?
Also wir haben jahrelang auch die meisten Azubis übernommen. Aber dann kommt es manchmal vor, dass der eine oder andere seinen Meister macht, sich etwas familiär verändert oder umzieht. Die Kollegin, die ich als Angestellte in meinem Geschäft habe, hat auch bei uns gelernt.
Was sollte ein angehender Azubi mitbringen, wenn er oder sie den Optikerberuf erlernen will?
Da gibt es mehrere Faktoren. Generell sollte man für den Beruf handwerkliche Fähigkeiten mitbringen. Man sollte modisch orientiert sein und ein bisschen Mathe- und Physikkenntnisse mitbringen. Nicht übermäßig viel, aber bei der Optik ist dieses Wissen Voraussetzung. Kommunikativ sollte man sein und mit Menschen gut umgehen können. Auch psychologisches Feingefühl sollte man haben und in der Beratung einfühlsam sein, wenn jemand sich beispielsweise das erste Mal eine Brille heraussucht und noch skeptisch ist. Das Gleiche gilt für den Umgang mit Kindern. Es ist auch entscheidend, wo man nach der Ausbildung landet. In einem kleinen Geschäft sollte man auch andere Arbeiten, neben dem eigentlichen Beruf, mit in Erwägung ziehen. Auch ich als Inhaberin mache noch die Toilette sauber. Teamfähigkeit ist also wichtig, denn ob ein harmonisches Klima im Betrieb herrscht oder nicht, wird von Kunden ganz klar wahrgenommen.
Sie haben bestimmt Stammkunden, die gern wiederkommen. Da ist eine zuverlässige Beratung natürlich sehr wichtig, oder?
Wir haben sehr viele Stammkunden und auch Neukunden durch Weiterempfehlungen und da spielen die genannten Faktoren auch eine Rolle. In unserem Wohngebiet hier in Hilbersdorf, haben wir auch viele ältere Leute, die dann gern auch noch ein bisschen Unterhaltung brauchen, wenn sie zu uns kommen. Die, die alleine sind und zu uns kommen, werden nicht einfach abgearbeitet sondern können auch privaten Ballast hier loswerden.
Würden Sie mir abschließend noch ein besonders schönes Erlebnis verraten, was Ihnen im Gedächtnis geblieben ist?
Da gibt es einige, besonders bei jungen Kunden. In der Regel haben wir wenig Kinderkunden, die Babybrillen oder Sonstiges benötigen. Wenn Sie dann aber sehen, wie sie das erste Mal mit ihrer Brille umhergucken und die Welt anschauen und strahlen, ist das schon schön. Aber es ist auch schön, wenn Sie einen Kunden haben, der erstmal das Brilletragen komplett ablehnt und dann erst merkt, dass er mit der neuen Sicht wieder Vieles machen kann. Es ist toll, wenn Menschen merken, dass Brilletragen gar nicht so schlimm ist, weil die Brillen natürlich auch gut aussehen, sich eigentlich als Mode-Accessoire etabliert haben. Heutzutage muss sich niemand mehr für die Brille schämen, im Gegenteil: es gibt keinen Sänger, Schauspieler oder Modeunternehmen, bei denen keine Brillen zu sehen sind. Die gehören einfach dazu. Wie man sich einen Ohrring reinsteckt oder ein Tuch anbindet, setzt man heutzutage die Brille auf. Das beeinflusst einfach die positive Wirkung nach außen. Ja, also mein Beruf macht mir eigentlich immer noch sehr viel Spaß.
Vielen Dank für das Interview.
Eine Übersicht über alle Interviews des Berufe-Specials finden sich hier.
erschienen am 08.07.2020