Das Vorspiel
Vor ein paar Wochen sind wir zufällig auf dem Event "Chemnitz grillt" gelandet und wenn Chemnitz grillt, geht das so: Menschen aus Chemnitz grillen in Gruppen auf dem Theaterplatz. Ein Mann in roten Badeshorts verleiht Preise an die Grillgruppen und alles wird nochmal auf einer großen Leinwand direkt Vorort übertragen. Zitat aus der Facebook Veranstaltung: "So können auch die Besucher*innen dort sehen, wie viel Freude grillen - wie viel Spaß das Leben in Chemnitz machen kann." Seltsames, semi-verständliches Konzept aber gut, weil es Chemnitz ist geht man trotzdem hin. Aus Ironie natürlich, weil man supporten will und weil eben sonst auch nichts geht. Wir finden den Gedanken lustig, auf der Mauer vom Theaterplatz zu chillen, Pizza zu bestellen und das 10 Meter weiter stattfindende Grillen auf der 30 Meter entfernten Leinwand anzuschauen. Die Pizza kommt nicht und ohne sie ist unser Plan gar nicht mal so geil. Wir gehen rein und schnorren uns durch die Stände.
Wie die beiden uns rumgekriegt haben
Denise und Hendrik sind die Inhaber von Karls Kunsthaus. An ihrem Stand hängen selbstbedruckte Kleidungsstücke, wir kommen ins Gespräch. Es gibt Bier und Sekt aus selbstdesignten Dosen und wir alle lassen ziemlich schnell die Hüllen fallen. Alles an diesem Stand ist irgendwie liebevoll und warm - auch das Bier und der Sekt. Die Vision der beiden ist es, einen Ort zu erschaffen, wo Kunst frei stattfinden kann. Das heißt: Kunstfrühstück statt Vernissage, Dosenbier statt Kanapees und Bilder an der Decke von einer Matratze aus anschauen. Ungezwungen, entspannt und dennoch kultiviert. Denise ist selbst freischaffende Künstlerin und weiß wie hart der Job ist. Sie will jungen Künstler*innen ein Sprungbrett bieten, dass diese mit ihrer Kunst an die Öffentlichkeit treten können. Ohne 70% des Verkaufspreises an Galeristen abdrücken zu müssen. Sie gibt zusätzlich Malkurse und widmet sich leidenschaftlich dem Textildruck. Wir fühlen uns irgendwie hingezogen zu diesem Ort, versprechen vorbei zu kommen, machen uns zwei Wochen rar und kommen dann doch.
Katha und die exotischen Früchtchen
Wir sind beim Kunstfrühstück in Karls Kunsthaus irgendwo zwischen Schönau und Siegmar und auf jeden Fall ist das der richtige Ort für unseren Modus. Wir sind leicht verkatert, es ist sonnig, man riecht den Herbst und es gibt viel gutes Essen. Katha ist sehr euphorisch weil es exotische Früchte gibt und macht daraus eine Art Zaubershow "Jooo Leute was soll ich als nächstes aufmachen, die Kaktusfeige vielleicht?" Hier Herr ehm wir kennen uns nicht, aber wollen Sie mal probieren?" Lars schaut in der Gegend rum, bestimmt nicht, weil ihm das unangenehm ist. Neben uns gibt es auch wirklich interessante Menschen an dem Tisch. Nachdem Katha den Herrn neben ihr mit exotischen Früchten umworben hat, stellt sich heraus, dass er Designer-Jacken aus Kaffee-Säcken herstellt. Auf einmal steht wer hinter uns, geht in die Hocke und fragt wer wir sind. Johannes Müller ist der Künstler zu dessen Ausstellung das Kunstfrühstück stattfindet.
Durch die Augen direkt in die Seele
Johannes ist sichtbar aufgeregt und wirkt ein bisschen unbeholfen, wie als hätte er vorher geübt, wie er die Menschen hier ansprechen soll. Sein Blick ist wach, er ist vollkommen anwesend und doch irgendwo ganz anders. Er versteckt sich sowas von nicht hinter einer Maske. Er ist das personifizierte Klischee eines Künstlers, was super spannend ist. Es fühlt sich falsch an zu sagen, dass wir Redakteure sind, denn er ist so interessant, dass man gar keinen Bock auf ein Interview hat. Wir wollen ihn kennen lernen! Vielleicht auch mehr. Über eine Stunde unterhalten wir uns mit Johannes, schauen zusammen seine Bilder an und sprechen über Gefühle. Ab und zu kommt jemand zu uns, um sich zu bedanken und zu verabschieden. Manchmal redet jemand etwas lauter als normal über Johannes Bilder, um damit unterschwellig sein Feedback dazu einzufordern. Das versucht Johannes aber zu vermeiden. "Meine Haltung zu meiner Kunst gibt eigentlich eine Interaktion bzw. Richtung vor, das ist nicht meine Intention als Künstler. Meine Empfindung ist nur eine von vielen." Wir stellen ihm immer mehr Fragen, ziellos, wie wollen ihm einfach zuhören.
Unter Johannes Jackett
Wir erfahren, dass die Grundform von Johannes Bildern aus der Graffiti-Szene kommt, dort findet er Inspiration. Lars schwebt irgendwo rum und sieht in Johannes Bildern Picasso-Elemente, ganz viel Rosa und Blau und sein Bild "Mit Herz und Hand" hat eine ähnliche Bildkonzeption wie Picassos "La Guernica". Mit Johannes zusammen überlegen wir, ob dieser vielleicht eine Teilreinkarnation von Picasso ist. Schließlich hat er genau wie dieser auch ein schwarzes Kord-Jackett. Keine Ahnung wie wir das geschafft haben, aber das Gespräch fühlt sich trotzdem irgendwie sachlich und seriös an. Wir gehen deeper, werfen einen Blick unter Johannes schwarzes Kord Jackett und erfahren, dass die immer wiederkehrende Glocke auf seinen Bildern symbolisch für seinen Vater steht, der Glocken gesammelt hat und zu dem er ein schwieriges Verhältnis hat. Wie könnte es auch sonst sein. Dann reden wir noch darüber, dass das ein C wie ein halber Heiligenschein aussieht, Johannes hat sich ein C als silbernen Partybuchstaben bei Tedi gekauft, um die Form besser aufgreifen zu können. C wie Chemnitz. Als er das erzählt, klingt das romantisch und cute. Manchmal frage ich mich, ob Johannes echt ist. Er ist viel zu echt um echt zu sein. Man sieht ihm immer direkt an, wie es ihm gerade geht. Wahrscheinlich ist es genau das, was so schön an ihm ist.
Dieser Morgen ist besonders und wirkt nach. Wenn ihr Lust habt, mal bei Karls Kunsthaus vorbeizuschauen, exotische Früchte zu frühstücken, eigene Shirts zu bedrucken, einen Malkurs zu besuchen, oder einfach nur zum Schauen, geht mal auf
Wir verlosen außerdem einen Gutschein für einen Malkurs eurer Wahl bei Karls Kunsthaus, geleitet von Denise Kendzia.
erschienen am 06.10.2020