Scholz will es "behutsam" angehen

Deutschlandtour Kanzlerkandidat Olaf Scholz im Zukunftsgespräch über Mobilität, Rente und Arbeit von morgen

Wie macht man Wahlkampf in Zeiten der Pandemie? Natürlich digital, per Videokonferenz. Räumlich getrennt - und doch geht es ums Zusammenkommen und darum miteinander zu diskutieren. So führte die digitale Deutschlandtour von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am vergangenen Donnerstag in den Landkreis Mittelsachsen, wo ihn Bundestagskandidat Alexander Geißler begrüßte. Die Bundestagskandidaten Kay Burmeister und Detlef Müller konnten zudem ihre Erfahrungen aus dem Landkreis Vogtland und der Stadt Chemnitz einbringen. "In den Zukunftsgesprächen mit Olaf Scholz darf alles gefragt werden", lautete die Ansage im Vorfeld. In Mittel- und Südwestsachsen wollten die Menschen per Chat oder Live-Schalte vor allem mehr über Mobilität, Rente, Arbeit und den Wohnungsbau von morgen wissen.

 

Thema Rente

Das Rentenniveau sei stabiler, als von "sogenannten Wissenschaftlern beschrieben wird", sagt Olaf Scholz auf die Frage nach der Zukunft der Rente. Das habe man schon in den 90er Jahren "falsch gerechnet", als Experten wesentlich weniger Erwerbstätige vorhergesagt hatten. Olaf Scholz versprach eine stabile Rente, "nicht nur für die Älteren, sondern auch für die 17-Jährigen, die jetzt ihre Ausbildung beginnen.

Scholz ging auch kurz auf die Bedenken des Bundesfinanzhofs ein, der im Zuge zweier Urteile darauf hinwies, dass die Formel zur Berechnung der Rentensteuer angepasst werden muss, um eine künftige Doppelbesteuerung zu vermeiden. Hintergrund: Seit 2005 gilt hierzulande eine nachgelagerte Besteuerung von Renten. Heißt: Menschen sollen im Erwerbsleben entlastet werden, dafür müssen sie später auf ihre Renten Steuern zahlen. Dafür gilt eine Übergangsphase: Rentenzahlungen werden zunehmend besteuert, während die Rentenbeiträge in immer größerem Maße von der Steuer abgesetzt werden können. Wie groß die Besteuerung genau ist, hängt von dem Jahr ab, in dem man in Rente geht. Scholz sprach sich übrigens auch gegen eine Anhebung des Renteneintrittsalters aus.

 

Thema Arbeit

Laut Olaf Scholz wurden zwei Millionen Arbeitsplätze durch die Möglichkeit der Kurzarbeit gerettet. Der Verdienst sei auch in Zukunft eine Frage des Respekts, weshalb sich der Finanzminister für höhere Löhne, besonders im Niedriglohnsektor, aussprach. Bis 2022 soll der Mindestlohn von derzeit 9,50 Euro auf 12 Euro die Stunde angehoben werden.

Das Lohngefüge solle insgesamt verbessert werden, aber vor allem der Osten solle von Gehaltserhöhungen profitieren. Der Kanzlerkandidat sprach sich zudem dafür aus, dass Tariflöhne "der Standard in Alten- und Pflegeeinrichtungen sein sollten." Bereits Anfang Mai forderte der Vizekanzler, dass Einrichtungen künftig nur noch Geld von der Pflegeversicherung erhalten sollen, wenn sie ihren Beschäftigten Tarifverträge anbieten.

Zuversichtlich zeigte sich Scholz aufgrund der Tatsache, dass vor allem der Osten Deutschlands bei der Mobilität von morgen mitmischt. "Das ist für die künftige Wohlstandsentwicklung entscheidend."

 

Thema Mobilität

"Behutsam" war bei diesem Thema eines der Lieblingswörter von Scholz. Die klimaneutrale Mobilität sei nichts, was über alle Köpfe hinweg entschieden werden könne. Gleichwohl verteidigte er die CO2-Abgabe, wenn auch nicht um jeden Preis: "Es ist durchaus richtig, dass Kaufentscheidungen künftig durch die CO2-Abgabe bestimmt werden." Es müsse ein "behutsamer" Weg eingeschlagen werden, denn auf der anderen Seite könnten nicht alle Industriezweige oder kleine Handwerksbetriebe sofort in neue Fahrzeuge investieren. Viele könnten eben nicht einfach auf umweltfreundlichere Wege ausweichen.

"Wir wissen, dass wir Unternehmen schützen müssen - auch weil Klimaschutzmaßnahmen die Wettbewerbsfähigkeit - besonders von energieintensiven Branchen - beeinflussen könnten. Um Handelskonflikte zu vermeiden, sollte sich die EU auch mit anderen Ländern in einem "Klima-Klub" abstimmen. Im Zuge der CO2-Reduktion sieht Scholz auch den Wasserstoffantrieb als künftige Alternative. Dafür sei noch ein großer Umbauprozess nötig. "Viele Menschen in Deutschland werden zunächst auf batterieelektrische Fahrzeuge umstellen müssen." Am Rande erwähnte Scholz, dass auch das Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten auf Machbarkeit geprüft würde.

 

Thema Globalisierung

Auf den Einwurf von Bundestagskandidat Alexander Geißler, es sei erdrückend, dass manche Menschen ihr Vertrauen in die Politik verloren hätte, meinte Scholz: Demokratie heiße nicht, eine Meinung durchzudrücken, sondern eine vielmehr gemeinsame Verständigung. Man könne nicht immer nur dagegen sein, man müsse auch Pläne und Perspektiven aufzeigen. Und: "Eine Sache ist in der Demokratie wichtig: Leadership." Politik - das bedeute vor allem mühselige Gespräche rund um den Erdball und zu jeder Uhrzeit. "Heimlich ahnt wohl jeder, dass die Globalisierung nicht aufzuhalten ist. Es gibt keinen Knopf mit dem wir die Zeit um 20 Jahre zurückdrehen können." Dabei dürfe niemand auf der Strecke bleiben. Die Devise lautet: "Maximaler Fortschritt, der trotzdem ein gutes Leben und ein vernünftiges Einkommen für jeden einzelnen garantiert."

 

Thema Wohnungsbau

Auf die Frage, warum die Bundesregierung es zulasse, dass Baustoffe wie Holz, Dämmung oder Gipskarton durch den zunehmenden Export hierzulande knapp werden, sagte Olaf Scholz: "Das Geschäftsmodell Deutschlands basiert auf einem weltweit vernetzten Handel. Es würde uns nicht gut tun, Exporte zu beschränken." Man müsse stattdessen den Investitionsstau lösen, in dem wieder mehr Unternehmen ermutigt werden, Ziegel, Fenster, Beton herzustellen. "Da sehen wir eine gewisse Zurückhaltung, weil viele noch die Erfahrungen nach dem Bauboom der 90er Jahre im Hinterkopf haben." Damals war die Branche in eine fast zehnjährige Krise gestürzt. Ziel sei es, 400.000 Wohnungen im Jahr zu bauen, wofür ein großes Bündnis für Bauen und Wohnen nötig sei. Der Fokus liege dabei auf sozialem Wohnungsbau.

 



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