Freiberg/Mittweida. Vor einem Monat hat die Unternehmerin Franziska Flack einen offenen Brief an Bundes-, Landes- und Lokalpolitiker geschrieben. Die Einzelhändlerin mit zwei Lederwarengeschäften in Freiberg und einem in Mittweida machte darin ihrem anhaltenden Unmut Luft über die Ungerechtigkeiten, die ihr Gewerbe in der Corona-Pandemie zu ertragen habe. "Es ist doch nicht einzusehen, warum in meinen Geschäften eine strikte Registrierung der Kunden im Click & Meet-System erfolgen muss, diese Testergebnisse vorweisen müssen, aber nicht in Drogerien oder Supermärkten, wo viel mehr Menschen zusammenkommen", sagt sie. "Wir sind unverschuldet in eine schlimme Situation gekommen, erhalten zwar Überbrückungshilfen, doch können wir mit denen gerade mal die laufenden Kosten decken. Geld, um selber leben zu können, kriegen wir nicht." Die Oberbürgermeister von Mittweida und Freiberg reagierten auf ihr Schreiben recht schnell. Aus Berlin oder Dresden blieben die Antworten allerdings aus. Zumindest was den Freistaat angeht, änderte sich das nun. Bei einem Besuch in Freiberg am Donnerstag kam Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gemeinsam mit Cindy Krause, Geschäftsführerin der IHK Chemnitz Regionalkammer Mittelsachsen, und Sven Krüger, Chef im Rathaus der Silberstadt, in das Lederwarengeschäft an der Burgstraße und suchte das direkte Gespräch mit Franziska Flack. Ja, es gibt in anderen Bundesländern einen sogenannten Unternehmerlohn, gab Kretschmer zu. "Den können wir aber leider nicht geben, da uns in Sachsen einfach das Geld dafür fehlt", so der Ministerpräsident. Auch die vielen Ungereimtheiten in den Schutzverordnungen erkenne er ebenso deutlich. Gegen sie etwas zu unternehmen sei aber sehr schwierig. Er sehe aber deutlich, dass die Zeichen auf Entspannung stehen. "Die Bundesnotbremse wirkt, das muss man feststellen", so Kretschmer. Und wenn sich alle an die Hygieneregeln halten, dann sei man, in Kombination mit dem schönen Wetter, bald durch das Schlimmste durch. Eine vierte Welle, meint Kretschmer, sei verheerend, so sie denn käme. Er selber sehe sie aber nicht.
Freiberg wird Modellprojekt
Kretschmers Besuch in Freiberg fiel zusammen mit der Ankündigung, dass die Stadt ab Anfang Juni, wenn alles klappt, zum Modellprojekt wird. Das bedeute, dass bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 eine Öffnung von Geschäften, Restaurants, Fitnessstudios, Museen, Theater und Hotels erfolge. Die Zustimmung der Staatsregierung sei gegeben worden, und zwar ohne Rückfragen, so Sven Krüger. Es fehle noch das Einvernehmen des Datenschutzbeauftragten, danach könne der Landkreis die Erlaubnis erteilen. In der Altstadt können dann für zunächst zwölf Wochen die Menschen wieder normal einkaufen und sämtliche Angebote unter Einhaltung der Hygieneregeln nutzen. Voraussetzung dafür ist ein tagesaktueller zertifizierter Negativ-Test, der Nachweis einer Genesung oder einer vollständigen Impfung. Zusätzlich zum Testzentrum im Städtischen Festsaal am Obermarkt werden weitere Zentren errichtet: eines am Schlossplatz und eines am Eingang zur Fußgängerzone Erbische Straße. Bis zu 4.000 Testungen sind dann am Tag möglich. Seit März bereiten die Mitarbeiter des Amtes Kultur-Stadt-Marketing, des Citymanagements und der Wirtschaftsabteilung das Projekt vor. Man sei bereit und warte nur darauf, dass es losgehen kann.