Francis Ford Coppola und sein XXL-Herzensprojekt: Mit Cesar in die Zukunft

"Megalopolis" Mehr als 40 Jahre hat Francis Ford Coppola an "Megalopolis" gewerkelt. Und irgendwo in diesem retrofuturistischen Epos über den Kampf zwischen einem genialischen Architekten und einem korrupten Bürgermeister steckt womöglich ein mitreißender Film. Gefunden hat ihn die Kinolegende jedoch nicht.

Was Kevin Costner kann, kann Francis Ford Coppola schon lange. Beide Hollywood-Größen ließen in den letzten Jahren damit aufhorchen, dass sie sich unter massivem Einsatz eigener Mittel endlich langgehegte Herzensprojekte erfüllen würden. Während Ersterer mit "Horizon" eine mehrteilige Westernsaga in konventionellem Gewand erzählt, geht Letzterer mit der auf die römische Geschichte Bezug nehmenden Science-Fiction-Fabel "Megalopolis" einen viel radikaleren Schritt. Weg vom Kino Hollywoodscher Prägung.

Sogar einen Teil seiner hochprofitablen Weingüter hat der Regisseur von Leinwandmeilensteinen wie "Der Pate" (1972) und "Apocalypse Now" (1979) veräußert, um seine seit den frühen 1980er-Jahren gärenden Pläne zu verwirklichen. Ohne Unterstützung eines Studios, folglich ohne Netz und doppelten Boden, brachte Coppola nach zahlreichen Rückschlägen und offenbar turbulenten, von mutmaßlichen Übergriffigkeiten begleiteten Dreharbeiten einen Film in den Kasten, der 2024 in Cannes seine polarisierende Weltpremiere feierte.

Friedliche Zukunft

Er selbst betrachtet "Megalopolis" als Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens. Aber wird das Werk dieser Einschätzung tatsächlich gerecht? Ähnlich wie bei Costner muss man in einer Zeit, in der große Risiken in der Kinobranche selten geworden sind, den Hut vor Coppolas Mut ziehen. Mit Mitte 80 ein derartiges Unterfangen umzusetzen, gegen alle Widerstände - das ist absolut beachtlich, sagt jedoch noch nichts über die Qualität des Films aus.

Gleiches gilt für das Hauptanliegen des Regisseurs, Drehbuchautors und Produzenten. "Megalopolis" will angesichts der zahlreichen Krisen der Gegenwart an die Menschlichkeit appellieren und fragt nach der Gestaltung einer friedlichen Zukunft. Ehrenwerte, wichtige Punkte - zweifelsohne! Aber bereitet sie der Film auch zu einem packenden, wahrlich visionären Erlebnis auf?

"Megalopolis" spielt in einem retrofuturistischen Amerika, einer Metropole, die den Namen New Rome trägt und in dem sich der genialische Architekt Cesar Catilina (Adam Driver) mit Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) anlegt. Der Baumeister, der den unzerstörbaren neuen Werkstoff Megalon erfunden hat, will eine nachhaltige utopische Stadt errichten und hat die Erlaubnis, dafür ganze Viertel abzureißen. Cicero hingegen hält am rückständigen Status quo - Beton, Stahl und Korruption - fest. Ausgerechnet seine Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) tritt in den Dienst Cesars ein und kommt ihm irgendwann näher. Parallel heiratet Catilinas Onkel, der schwerreiche Bankier Hamilton Crassus III. (Jon Voight), mit Wow Platinum (Aubrey Plaza) die frühere Geliebte des Architekten, während dessen Cousin Clodio Pulcher (Shia LaBeouf) eine politische Laufbahn anstrebt.

Kuriositätenshow mit Leerlauf

Zwischen diesen Polen bewegt sich der Film hin und her, ohne dass sich Coppola um eine Dramaturgie im herkömmlichen Sinne scheren würde. "Megalopolis" setzt sich nicht aus klar aufeinander aufbauenden Handlungsschritten zusammen, sondern aus Ideen, Stunts und Spektakelszenen - zahlreiche Skurrilitäten inbegriffen. Ein Popstar, der mit seiner Jungfräulichkeit Spenden sammelt, ein den alten Lustmolch ungehemmt herauskehrender Jon Voight, ein komplett freidrehender Shia LaBeouf, berückende Panoramabilder der in einen goldenen Schimmer getauchten Stadt, surreale Farbenspiele: Das Science-Fiction-Drama fährt eine Menge auf. Und doch wirkt vieles auf frustrierende Weise unfertig und schlecht durchdacht.

Die ständig eingeschobenen Texttafeln? Gaukeln Tiefe vor, bremsen den Fluss. Cesars Trauer über die Ermordung seiner Frau? Seine Fähigkeit, die Zeit anzuhalten? Elemente, die willkürlich eingestreut werden. Der von Clodio angezettelte Volksaufstand? Schaut seltsam mickrig aus, wie das Treffen eines Schlägertrupps. Die Kritik am Kapitalismus? Verharrt trotz blumiger Worte an der Oberfläche. Der Humor? Bewegt sich oft auf Kalauerniveau. Die Figuren, besonders die weiblichen? Bleiben facettenarm. Und das, obwohl es Coppola doch vor allem um Menschlichkeit geht.

So viele Einfälle wie möglich in einen Topf zu werfen, sie kräftig zu verrühren, ist das schon Kunst? Eher nicht. "Megalopolis" erweckt den Eindruck, als habe der kreative Kopf in den mehr als 40 Jahren der Entwicklung seiner Vision komplett den Überblick verloren. Was am meisten irritiert: Trotz aller Kuriositäten ist der Film manchmal erstaunlich zäh. Das kann der Altmeister nun wirklich nicht gewollt haben.



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