Wie kriegen wir die Kinder nur dazu, dass sie endlich wieder mehr lesen und nicht immer nur vor irgendwelchen blöden Bildschirmen kleben? Vielleicht ja, indem wir sie ins Kino schleppen? Carsten Henn landete 2020 mit seinem Roman "Der Buchspazierer" einen großen Hit, der Bestseller wurde in 29 Länder verkauft. Und so geht jetzt auch diese Geschichte den Weg, den schon so viele andere erfolgreiche Bücher nahmen: "Der Buchspazierer" kommt als prominent besetzter Film auf die große Leinwand.

Außerdem neu im Kino: "Thelma - Rache war nie süßer" handelt vom Rachefeldzug einer knuffigen Bilderbuch-Oma, und in "Super/Man: The Christopher Reeve Story" wird die ebenso tragische wie inspirierende Geschichte des 2004 verstorbenen "Superman"-Darstellers nacherzählt.

Der Buchspazierer

"Die Menschen vergessen immer mehr zu lesen", klagt eine Mädchenstimme. Dabei gäbe es in den Büchern beziehungsweise "zwischen den Buchdeckeln" doch so viel zu entdecken: nämlich "Menschen und ihre Geschichten". Die Stimme gehört der neunjährigen Schascha (Yuna Bennett), und die Geschichte, die es hier zu entdecken gibt, das ist ihre eigene und die von Carl Kollhoff (Christoph Maria Herbst).

Kollhoff ist ein menschenscheuer Sonderling, ein abweisender mürrischer alter Kauz - und ein großer Literatur-Liebhaber. Sein Job ist es, ausgewählte Bücher auf Bestellung zu denjenigen zu bringen, die sie - warum auch immer - selbst nicht mehr beschaffen können. So pendelt Kollhoff tagein, tagaus zwischen Bücherladen und Haustüren. Auf einer seiner Touren gesellt sich Schascha zu ihm. Sie nennt ihn den "Buchspazierer", eben weil er immer mit Büchern in seiner altmodischen Ledertasche durch die Straßen spaziert. Kollhoff gibt der jungen Dame zu verstehen, sie möge ihn gefälligst in Ruhe lassen. Aber Schascha, die über mehr Verstand und Herz verfügt als die allermeisten Erwachsenen, lässt sich nicht abschütteln.

"Der Buchspazierer" ist das Kino-Debüt von Regisseur Ngo The Chau (Buch: Andi Rogenhagen), der sich in der Vergangenheit bereits einen Namen als Kameramann gemacht hat. Chau liefert eine gemütlich erzählte Buddy-Komödie mit starker Feelgood-Note. Gleichzeitig muss und will "Der Buchspazierer" natürlich auch eine "warmherzige Hommage an die Literatur" sein.

Dass während der Kino-Vorstellung ein Kind plötzlich aufspringt, aus dem Saal rennt und ruft "Ich will jetzt sofort ein Buch lesen" - schön wär's. Junge Lesemuffel mit einem Film in Bücherwürmer verwandeln, das hat schon mit "Die unendliche Geschichte" und all den schönen Roald-Dahl-Adaptionen nur in ganz wenigen Ausnahmefällen funktioniert. Aber immerhin, mit "Der Buchspazierer" werden die Kleinen charmant und altersgerecht unterhalten (was ja im heutigen Kino keine Selbstverständlichkeit ist, FSK 6). Und wenn es auch sonst nichts bringt: Dass sie hinterher noch weniger lesen, darf als ausgeschlossen gelten.

Thelma - Rache war nie süßer

"Grandma, ich bin im Gefängnis!", schallt es aus dem Telefon - und Thelma (June Squibb, 94) ist sofort genauso alarmiert und panisch, wie die Gauner es sich in so einer Situation erhoffen. Wenig später steckt die liebenswerte Oma, die ihrem Danny natürlich unbedingt helfen möchte, 10.000 Dollar in einen Umschlag und bringt ihn zur Post. Und wieder ist eine auf den Enkeltrick hereingefallen. Ein Jammer. Aber diese Eine, die ungewöhnliche Heldin in "Thelma - Rache war nie süßer" (Regie und Drehbuch: Joshua Margolin), möchte sich das nicht bieten lassen!

Es dauert nicht lange, bis Gewissheit herrscht: Thelma wurde von ein paar Betrügern ganz übel hinters Licht geführt. Ihrem Enkel geht es gut, Gott sei Dank. Aber Thelma ist trotzdem stocksauer. Bei der Polizei wird sie ein wenig belehrt, ansonsten könne man in der Sache nicht viel tun. "Und was ist mit meinem Geld? Soll ich denen das einfach überlassen?" Oh nein. Also schnürt Thelma ihre Laufschuhe einmal extrafest, schwingt sich auf ihren E-Seniorenroller und besorgt sich eine Waffe.

Was gab es im Kino nicht schon für spektakuläre Rachefeldzüge zu sehen. "Rambo", "Kill Bill", "V wie Vendetta", "John Wick" ... Die Liste ließe sich ewig fortsetzen, und in dieser Reihe steht jetzt irgendwo ganz am Rand auch "Thelma", diese irrwitzige Vergeltungsgeschichte einer weißhaarigen Bilderbuch-Granny, die bestimmt den besten Apfelkuchen überhaupt macht und dann plötzlich ihren Hang zur Selbstjustiz entdeckt. Das ist schon sehr schräg. Aber genau darin liegt bei "Thelma" auch der Reiz.

Super/Man: The Christopher Reeve Story

"Ich bin kein Held. Das war nur eine Rolle." Christopher Reeve kein Held? Da würden allerdings viele Menschen widersprechen. Millionen, die ihn aus dem Kino kannten, aber auch die Menschen, die ihn nach seiner Hollywood-Karriere erlebten. Und vor allem natürlich diejenigen, die ihm persönlich nahestanden. Vor fast 30 Jahren hatte der legendäre "Superman"-Darsteller einen schweren Unfall, der sein ganzes Leben veränderte. Vor ziemlich genau 20 Jahren, am 10. Oktober 2004, starb Reeve im Alter von 52 Jahren. Jetzt wird seine bewegende Geschichte in einer neuen Kino-Doku nacherzählt.

"Super/Man: The Christopher Reeve Story", so heißt der Film von Ian Bonhôte, Peter Ettedgui und Otto Burnham. Mit einigen Archivaufnahmen zeichnen sie den Werdegang von Christopher Reeve als Schauspieler nach. Von 1978 bis 1987 spielte er in mehreren Kino-Produktionen die Rolle seines Lebens als "Superman". Im Zentrum der Dokumentation steht aber die Zeit danach, mit vielen emotionalen Wortbeiträgen seiner nächsten Angehörigen - zuvorderst seiner Kinder Alexandra, Matthew und Will.

Sein Vater sei früher immer sehr "aktiv" gewesen und "liebte Action", erinnert sich Matthew Reeve in der Doku, die in bisherigen Kritiken fast ausnahmslos positiv aufgenommen wurde. Fahrrad fahren, Fußball, Ski. Matthew Reeve könne sich auch genau an den Moment erinnern, als er den Papa das letzte Mal auf eigenen Beinen stehen sah. 1995 stürzte Christopher Reeve beim Reiten so schwer, dass er querschnittsgelähmt im Rollstuhl landete. Doch statt sich zurückzuziehen, blieb Reeve präsent. Als prominenter Redner und als Aktivist, der sich für die Rechte von Minderheiten (insbesondere Menschen mit Behinderung) einsetzte, inspirierte er bis zu seinem Tod. Ein Held, und ob - auch und gerade ohne sein rotes Cape.