Wolkenstein. Weil er sich der Sorgen der Bürger annehmen will, ist Wolfram Liebing seit Beginn der Corona-Pandemie auch an den Wochenenden häufig im Wolkensteiner Rathaus anzutreffen. "Wenn das Fenster auf ist oder das Licht brennt, wissen die Leute, dass ich da bin", erklärt der Bürgermeister, der in einigen Fällen so schon helfen konnte. Auch diesen Samstag war er vor Ort, ging dann aber für 45 Minuten hinüber ins Schloss, um dort kurz mit anzupacken. Und als er wiederkam, staunte der 65-Jährige nicht schlecht. An der Eingangstür des Rathauses hing plötzlich ein Plakat, vor dem vier Paar Kinderschuhe standen. Grund: Auch in Wolkenstein wurde eine regional geplante Protest-Aktion gegen zu strenge Corona-Regeln in die Tat umgesetzt. Die junge Generation steht dabei im Fokus. Die Kinderschuhe sollen als Symbol dienen, denn viele Schuhe wurden schon Monate nicht mehr getragen, weil sich auch Kinder an die Einschränkungen halten müssen.
"Kinder brauchen soziale Kontakte"
"Es reicht! Wir müssen was tun. Bringt alte Kinderschuhe, um am Protest teilzunehmen", ist als Aufforderung auf dem Plakat am Wolkensteiner Markt zu lesen - dazu die Motivation. "Für offene Schulen und Kitas" wurde ebenso geschrieben wie die Aussage "Kinder brauchen soziale Kontakte und keine Isolation". In den Augen des Bürgermeisters wird damit auf ein wichtiges gesellschaftliches Problem hingewiesen. Aus Gesprächen mit Familien weiß er, dass die neuerlichen Schulschließungen für große Enttäuschung gesorgt haben. Doch nicht nur das. "Bei den regionalen Psychologen steigen die Zahlen", weist Liebing auf immer mehr Kinder mit derartigen Problemen hin. Sein Standpunkt ist somit klar: "Der Diskussion, wie man mit der Krankheit umgeht, müssen wir uns stellen."
Bürgermeister froh über Engagement
Weil das Plakat und die Schuhe keine Behinderung darstellen, will der Bürgermeister die Protestaktion nicht beenden. Im Gegenteil: Er ist gespannt, wie sehr die Zahl der Schuhe in den nächsten Tagen wächst. Schon im Laufe des Samstags und am Sonntag kamen viele weitere Exemplare hinzu. Dazu noch weitere Meinungsäußerungen. So ergibt der Rathauseingang inzwischen ein äußerst buntes Bild. "Ich bin froh, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der sich die Leute Gedanken machen und ihre Meinung klar äußern, statt im Hinterhof zu meckern", betont der 65-Jährige, der das Anliegen der Aktion sehr gut nachvollziehen kann. Schließlich nehmen durch die zunehmende Isolation von Familien in den eigenen vier Wänden die Reibungspunkte und damit die Sorgen zu. "Viele bekommen es trotzdem gut hin, andere aber nicht", so der Bürgermeister.
Inzidenz sollte nicht allein ausschlaggebend sein
Wie die Initiatoren hofft auch Liebing auf Änderungen im Umgang mit der Pandemie. Schon der Bezeichnung "Kampf gegen Corona" kann er nur wenig abgewinnen: "Ich dachte, diese Kriegssprache hätten wir hinter uns gelassen." Stattdessen "müssen wir lernen, mit der Krankheit zu leben". Auch die reine Ausrichtung von Maßnahmen an der Inzidenz hält er nicht für sinnvoll. Statt mit Zahlen um sich zu werfen, sollten Politiker auf wichtige andere Aspekte eingehen. "Ansonsten sind die Entscheidungen nicht mehr zu vermitteln", befürchtet der Wolkensteiner Bürgermeister, der auch auf die Verfehlungen einiger Politiker hinweist. Nach mehrern Masken-Affären berge nun auch der Handel mit Tests ein solches Risiko in sich.
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