Seiffen. Seiffens Pfarrer Michael Harzer liest online erzgebirgische Geschichten vor. Einige davon sind in Mundart, andere auf Hochdeutsch. Michael Harzer ist Erzgebirger durch und durch. Die erzgebirgische Mundart ist für ihn ein großes Stück Heimat. Als Kind ist Erzgebirgisch nicht seine Muttersprache, sondern seine Vatersprache gewesen. "Mein Vater hat mit mir in Mundart gesprochen, meine Mutter immer Hochdeutsch", sagte er. Deshalb erinnere ihn vor allem die mittelerzgebirgische Mundart, wie sie im Raum Zöblitz, Marienberg und bis nach Seiffen gesprochen wird, oft an seinen Vater. Seit der Advents- und Weihnachtszeit verbreitet er täglich erzgebirgische Geschichten über seinen YouTube-Kanal.

Menschen sollen im Gedächtnis bleiben

"Auf diese Weise bin ich auch während der Sperrzeiten mit Gemeindemitgliedern und mit anderen Menschen in Kontakt geblieben", sagte der Seiffener Pfarrer. Das galt vor allem für jene, die nicht nach Seiffen kommen konnten oder, die er selbst nicht besuchen durfte. So kam ein bisschen Erzgebirge unter die Leute. Es sind ausschließlich lustige Geschichten zu erleben. Ganz gezielt wählt er sie aus. Schließlich möchte er den Menschen ein bisschen Frohsinn in den teils tristen Alltag bringen und sie erheitern. Manche Geschichten sollen gleichzeitig auch zum Nachdenken anregen. Jede von ihnen beschäftigt sich mit dem Alltag im Erzgebirge. In der Regel beziehen sie sich auf beinahe vergessene Zeiten. Mit den Lesungen möchte Michael Harzer dazu beitragen, dass gerade diese den Menschen im Gedächtnis bleiben. Das gilt auch für die Autoren, deren Namen längst vielen nichts mehr sagen. Die wahrscheinlich intensivste Beziehung hat der 53-Jährige zu Wolfram Böhme. Den Zöblitzer Theologen und Literaturwissenschaftler kannte er noch persönlich. Mit ihm war er freundschaftlich verbunden.

Daher sind mehrere Werke aus Wolfram Böhmes Feder mittlerweile auf Youtube zu erleben. "Ich möchte aber auch die uralte erzgebirgische Mundartdichtung wieder lebendig machen, bis hin zu den Geschichten von Christian Gottlob Wild", so der Heimatfreund. Johann Gottlob Wild gilt als Begründer der Mundartdichtung im Erzgebirge. Er war wie Michael Harzer Pfarrer. Wild wurde 1785 in Johanngeorgenstadt geboren. Er starb 1839 in Breitenbrunn. Weitere ausgewählte Autoren sind unter anderem Friedrich Hermann Löscher, Willy Löschner, Gottfried Werner und andere.

Beiträge im Netz beliebt

Jeden Tag eine neue Geschichte zu finden, fällt Michael Harzer nicht schwer. Er kann sich in einem großen Fundus an Büchern bedienen. Die meisten davon bekam er geschenkt oder anvertraut. Manches hat er mittlerweile doppelt, dreifach oder vierfach. Dennoch hegt er die Bücher wie kleine Schätze. Außerdem kann er auf die Angebote der Sächsischen Landesbibliothek zurückgreifen. Dort sind viele Mundartveröffentlichungen bereits digitalisiert. Gerade die alten Geschichten muss auch Michael Harzer drei- oder viermal laut lesen. Erst danach kann er sie flüssig einsprechen. Das liegt unter anderem an Formulierungen und an den Wörtern, die heute nicht mehr gebraucht werden. Hin und wieder übersetzt er sie während der Web-Lesungen auch, damit sie jeder verstehen kann. Die technische Umsetzung von Aufnahme und Veröffentlichung realisiert er in Eigenregie. Dazu liegt das Handy auf einem bestens dafür geeigneten Notenständer. Nach der Aufnahme schneidet er das Video zu und lädt es auf seinen Kanal. Dieser ist unter "Michael Harzer Seiffen im Erzgebirge" zu finden. Verbreitet werden die Beiträge auch via Facebook.

Bis zu 7.000 Leute haben die Geschichten dort bereits geteilt. Spitzenreiter ist dabei Wolfram Böhmes Gedicht von den "Ardeppln - unner Nahrungsmittel". Ob es auch zukünftig täglich neue Geschichten geben wird, ist fraglich. Schließlich fängt für Michael Harzer der Religionsunterricht wieder an. Dennoch möchte er wöchentlich wenigstens zwei neue Beiträge einlesen.