Annaberg-Buchholz. Dass Anton Günther auch heute noch in seiner Heimat ein sehr beliebter Volksdichter und Sänger ist, daran lassen die Erzgebirger unter dem Publikum im Eduard-von-Winterstein-Theater keinen Zweifel. Aber auch für alle anderen ist es ein großes Vergnügen, einen unverstellten Blick auf das Wirken und Leben des Künstlers zu werfen. Möglich macht dies "Mei Harz braucht Lieder" - ein Liederabend mit dem Tenor Richard Glöckner und Peggy Einfeld, der derzeit sehr erfolgreich den Spielplan des Theaters bereichert.
Tenor holt Anton Günther in die Gegenwart
Anton Günther, am 5. Juni 1876 in Gottesgab (Boži Dar) geboren, wuchs zwischen Fichtelberg und Keilberg, unmittelbar an der heutigen deutsch-tschechischen Grenze auf. Mit seinem Werk setzte er seiner Heimat ein unvergessenes kulturelles Denkmal. Während des reichlich einstündigen Programms erweist sich Richard Glöckner als ein Sänger, der die Lieder Anton Günthers modern und zeitgemäß und trotzdem authentisch zu interpretieren versteht. Zudem führt Glöckner die Puppe Anton, der er auch seine Stimme leiht. Mit diesem Kunstgriff bezieht er Anton Günther direkt in das Geschehen auf der Bühne ein. Dadurch wird es ihm möglich, mit dem Heimatdichter ins Gespräch zu kommen, und sein Leben und Werk auch kritisch zu hinterfragen. Da geht es etwa um die Kriegsbegeisterung, der Anton Günther am Beginn des Ersten Weltkrieges in einem Lied Ausdruck verleiht, aber auch um manche Texte, die einige heutzutage als pure Deutschtümelei empfinden.
Wenn Richard Glöckner seine Bedenken gegen solche Verse äußert, verweist die Puppe Anton auf die Gegebenheiten seiner Zeit, und auf den damaligen Kontext. So betrachtet erscheinen die Texte dann doch in einem anderen Licht, als sie heute von manchen wahrgenommen werden. Letztendlich bleiben beide Meinungen im Raum stehen, sodass der Zuschauer selbst abwägen und entscheiden kann.
Neben Richard Glöckner und der Puppe Anton ist Peggy Einfeldt die Dritte im Bunde. Sie begleitet den Tenor am Klavier und auf der Gitarre. Zwischendurch sorgt sie auch mal für einen Konfetti-Regen, mit dem das Publikum im Handumdrehen in winterliche Stimmung versetzt wird.
Zeitlebens mit seinem Heimatort verbunden
Zeitlebens blieb Anton Günther mit seinem Heimatort verbunden. Neben seinem musikalischen Talent ist das Zeichnen für sein Leben prägend. Er absolviert eine Lithografen-Lehre in Buchholz und arbeitet später mehrere Jahre in Prag. Nach dem Tod seines Vaters 1901 kehrt er jedoch in seinen Heimatort zurück und kümmert sich um seine Geschwister. Bald wird er in dem zur Erholungsregion aufsteigenden Erzgebirge zu einem sehr beliebten Künstler bei Veranstaltungen für Einheimische und Gäste. Zudem hat er großen Erfolg mit Liedpostkarten, als deren Erfinder er gilt. Einen nicht unwesentlichen Teil der Einnahmen bringt Günther ab 1911 in die von ihm begründete Tolerhans-Tonl-Stiftung ein. Damit unterstützt er Kranke, Alte und Arme in seinem Heimatort. Auch nach dem Ersten Weltkrieg bleiben Anton Günther und seine Lieder sehr berühmt. Es gibt für ihn Engagements in Berlin, Wien und Dresden. Sehr erfolgreich sind zudem Schellack-Schallplatten, die der Künstler aufnimmt.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland versuchten diese, Anton Günther für sich zu vereinnahmen. Ein Ansinnen, das der jenseits der Grenze lebende Deutsche jedoch strikt zurückweist.
Anton Günther setzt am 29. April 1937 seinem Leben ein Ende. Sein Freitod wirft viele Fragen auf, die aber letztendlich wie bei jedem Suizid eine umfassende Antwort schuldig bleiben.
Sein Grab auf dem Friedhof in Boži Dar ist erhalten und wird oft besucht.
Weitere Aufführungen
Kulturhaus Aue, Kleiner Saal: Donnerstag (09.02.23) und Freitag (10.02.23) jeweils 20.00 Uhr
Eduard-Winterstein-Theater Annaberg: Freitag (17.03.23) 20.00 Uhr
erschienen am 10.01.2023