Olbernhau. Am Montag sollen die Schulen wieder öffnen. Die Inzidenz entscheidet künftig nicht mehr allein darüber, ob sie auch geöffnet bleiben. Zweimal pro Woche sollen sich die Schülerinnen und Schüler selbst testen. Das Vorlegen eines negativen Testergebnisses reicht ebenfalls aus.
Petra Richter wünscht sich eine noch mutigere Politik. Sie unterrichtet an der Oberschule Olbernhau Englisch und Deutsch. Außerdem kümmert sie sich als Beratungslehrerin um ihre Schützlinge.
Auswirkungen der Schulschließungen nicht mehr zu verantworten
Ihrer Meinung nach dürften Schulen nur im äußersten Notfall wieder geschlossen werden. "Wäre es nicht besser, wenn die Schulleitung und die kommunale Verwaltung gemeinsam entschieden. Sie kennen alle Bedingungen vor Ort", so Petra Richter. Außerdem seien bislang weder Schulen noch Kinder die großen Treiber der Verbreitung des Virus gewesen. Die Politik ergehe sich zu sehr in Angst. "Dabei müsste sie nicht nur unterbinden, sondern fördern, was möglich sei. "Was die Schulschließungen für unsere Kinder bedeuten, ist nicht mehr zu verantworten", findet Petra Richter.
Seit dem vergangenen Weihnachtsfest hatte es auch für die etwa 600 Schülerinnen und Schüler in Olbernhau erst eine Woche Präsenzunterricht gegeben. Das war die vorletzte Woche vor den Osterferien. Groß war die Hoffnung. Für eine ganze Woche war wieder Leben in das markante Gebäude am Gessingplatz gezogen. Dann kam die erneute Wende seitens des Freistaates. Erneut blieb die große Pforte verschlossen. Erneut durften sich die Kinder und Jugendlichen nicht im realen Leben begegnen. Moderne Technik bestimmte ihr Leben. "Ein Ersatz für den ganz normalen Schulunterricht ist das nicht", so die Beratungslehrerin und ergänzt:
"Ich habe während des Lockdowns erlebt, wie die Kinder gelitten haben", versichert sie. Emotional gerührt spricht sie von Kindern die wegen der erneut erzwungenen Schulschließung in Tränen ausbrachen. Kinder brauchen Kinder! Da ist sie sich sicher. Kinderpsychologen, Logopäden und Kinderärzte geben ihr Recht. Vor allem während des Lockdowns stand sie ständig auch mit den Experten im Kontakt. Während zahlloser Telefonate mit Eltern erfuhr sie, wie sehr einige Kinder und Familien mit der Situation überlastet waren. Mit zunehmender Dauer der Abschottung entwickelten mehrere Schülerinnen und Schüler psychische Auffälligkeiten. Petra Richter spricht von etwa einem Drittel der gesamten Schülerschaft. Ängste, Kummer, Traurigkeit, Antriebslosigkeit und Vereinsamung mündeten nicht selten in psychosomatische Erkrankungen.
Sogar von Depressionen sei die Rede gewesen. "Von der Depression kann es nur ein kleiner Schritt in Richtung Suizidgedanken sein", betont Petra Richter. Sie sprach mit erschöpften Eltern. Nicht alle halten die Mehrfachbelastung auf Dauer aus. Nicht jeder Vater ist ein Lehrer, nicht jede Mutter eine Psychologin. Teils harte Auseinandersetzungen in den Familien wären an der Tagesordnung gewesen. In der Isolation fehlen den Kindern Kontakte mit anderen Kindern. Ihnen fehlen die Gespräche, das miteinander Lachen, das Streiten und auch die kleinen Rangeleien. All trägt schließlich zum Formen der sich entwickelnden Persönlichkeiten aus. Auch das Immunsystem braucht diese Auseinandersetzungen zur Stärkung. Dass es aktuell aufgrund der Häufungen kaum Termine bei Psychologen gäbe, würde die Situation zusätzlich erschweren. "Wir Lehrer haben kein Problem, den Lehrstoff gemeinsam mit den Kindern aufzuholen.
Dazu brauchen wir aber konstant Präsenzunterricht", versichert die 60-Jährige. Lernen in Videokonferenzen oder im Selbststudium sei dafür kein Ersatz. Das zeigten nicht nur die Erfahrungen aus den wenigen Tagen nach der Schulöffnung. Diesbezüglich weiß Petra Richter auch aktuelle Studien zu zitieren. Aber die Politik höre immer noch ausschließlich auf Virologen. Die Argumente von Kinderpsychologen, Logopäden, Kinderärzten und Lehrern müssten verstärkt angehört werden. Das die Schulöffnung funktioniert hat ihrer Meinung nach die zweite Woche vor den Osterferien gezeigt. Zu deren Beginn sind an der Oberschule Olbernhau 640 Corona-Schnelltests vorgenommen worden. Nur ein einziger war positiv.
"Die Kinder haben sich vorbildlich an alle Hygieneregeln gehalten", versichert Petra Richter. Sie freute sich über die glücklichen Kinderaugen, die ihr in den Klassenzimmern entgegenblickten. "Die Kinder haben sich viel mehr am Unterricht beteiligt, als vor dem Lockdown. Sie waren froh, endlich wieder hier zu sein. Das konnte jeder von uns spüren", betont die Olbernhauerin. Dann kam die Ernüchterung. Der Schulleiter Uwe Klaffenbach hatte sich via Internet an die Familien gewandt. "Großer Freude folgte bittere Enttäuschung", war er auf er Homepage zu lesen. Bereits diese Überschrift sprach für sich. "Kinder benötigen zum Lernen Motivation, Willen und Lernmoral. Der anhaltende Lockdown aber ließ gerade das zunehmend schwinden!", schrieb der Schulleiter in etwa der Mitte des Textes.
erschienen am 10.04.2021