Brauchen Frauen überhaupt noch Männer?
Ich bin dazu erzogen worden, meinen Wert nicht von irgendwelchen Männern abhängig zu machen und sie nicht zu brauchen, außer zum Tragen schwerer Möbel, denn ich bin nicht wirklich stark, wobei mir da auch eine starke Frau helfen könnte. Einen Kerl zu brauchen gehört nicht mehr in das moderne emanzipierte Frauenleben. Wir können auch ohne die männlichen Mitmenschen überleben. So interessant man sich manchmal eine Welt ohne euch Männer vorstellt, so schwierig wird es, wenn es um das Thema Nachwuchs geht.
Und genau damit beschäftigt sich die Wissenschaft schon seit geraumer Zeit. Besteht die Möglichkeit als Frau auch ohne männliche Spermien schwanger zu werden?
Spermien aus dem Knochenmark
Forscher haben erstmals die künstliche Vorstufe von Spermien aus Knochenmark-Stammzellen von Makaken, die wie Menschen auch zu den Primaten gehören, hergestellt. Bei kleineren Säugetieren, wie beispielsweise Mäusen, ist dies schon länger möglich. Die entnommenen Stammzellen der Makaken wurden dann von einem Team um Charles Easley von der Univerity of Georgia bis in das Stadium der Rundspermatiden differenziert. Wie auch die Spermien, besitzen diese bereits den haploiden Chromosomensatz, der eine Voraussetzung für die Befruchtung ist. Allerdings konnte der letzte Differenzierungsschritt von den haploiden zu den elongierten Spermatiden nicht abgeschlossen werden, weshalb die Eizelle nicht befruchtet werden kann. Bis dieser Schritt möglich ist, wird es wahrscheinlich noch einige Jahre dauern. Sollte es der Forschung irgendwann gelingen, funktionsfähiges Sperma aus dem Knochenmark zu gewinnen, würde das nicht nur den unfruchtbaren Männern, sondern auch Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft helfen, Nachwuchs zu bekommen, der von beiden Partnerinnen abstammt.
Doch der Forschungserfolg alleine würde nicht dazu führen, dass eine Befruchtung bald ohne das männliche Geschlecht möglich ist. Auch Risiken müssen abgewogen und die ethischen und moralischen Fragen müssten geklärt werden. Der Schritt, im Labor hergestellte Spermien für eine Befruchtung zu verwenden, greift noch mehr in die Zeugung von Nachwuchs ein, als es die künstliche Befruchtung tut. Und auch die warf einige ethische Fragen und Kritik auf. Wie war das damals?
Am Anfang war das Retortenbaby
Alles begann vor 53 Jahren mit dem ersten, im Labor gezeugten, Baby. Mithilfe der, damals vom Magazin "Der Spiegel" als "Experiment zwischen Hoffnung und Horror" betitelten, In-Vitro-Fertilisation (IVF), werden heutzutage jährlich in Deutschland durchschnittlich 7.000 Babys geboren, die es ohne die künstliche Befruchtung nie gegeben hätte. Laut einer repräsentativen Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2006 hält jede fünfte Befragte die künstliche Befruchtung für etwas ganz Normales. Dies macht deutlich, dass man sich an Forschungen, die zu Beginn als bedenklich betrachtet wurden, im Laufe der Zeit gewöhnen und diese sogar als nützlich betiteln kann.
Allerdings gibt es auch heute noch kritische Stimmen gegenüber der IVF. Zum einen aufgrund des hohen Risikos für Mehrlingsschwangerschaften und -geburten, die eine hohe Belastung für Mutter und Kinder darstellt. In einigen Ländern ist es deshalb erlaubt, aus mehreren Embryonen, das, mit der höchsten Überlebenschance auszuwählen und nur dieses zu behalten. Zum anderen wird auch die vorschnelle künstliche Befruchtung kritisiert, da die Chance natürlich schwanger zu werden, höher ist, je länger sich die Paare Zeit lassen.
Greift das alles nicht zu sehr in die Natur des Menschen ein?
Alles, was über die künstliche Befruchtung hinaus geht, bringt mich an die Grenzen meiner ethischen Grundsätze. Ich gebe euch ein Beispiel: 2018 hat der chinesische Wissenschaftler He Jianku Designerbabys erstellt. Für mich ist das vergleichbar mit der Menükarte im Restaurant. Ich hätte gerne ein blondes Mädchen, mit smaragdgrünen Augen. Auch die sogenannten "Rettungskinder", die künstlich erzeugt werden, um ihr Geschwisterkind zu retten, sind mir ein großes Rätsel: Wollen wir wirklich so sehr Gott spielen? Was passiert, wenn etwas schief läuft und der Embryo stirbt? Was sind die Langzeitfolgen bei solchen künstlich erzeugten Babys?
Nicht falsch verstehen: Ich bin für den Einsatz künstlicher Befruchtungen. Paare, die sich Kinder wünschen und aufgrund von Unfruchtbarkeit oder gleichgeschlechtlicher Beziehungen keine bekommen können, sollen die Fortschritte in Medizin und Forschung nutzen können, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Aber genau dort ist für mich die Grenze. Im Labor hergestellten Spermien, die eine Befruchtung ohne das Zutun des männlichen Geschlechts ermöglichen, sind noch Zukunftsmusik. Ich bin gespannt, wie sich die Forschung entwickelt und wann das erste Baby, das aus dem Knochenmark einer Frau gezeugt wurde, auf die Welt kommt.