Ghetto meets Gebrüder Grimm: Feminismus im Märchenland

Selinas Filmrezension "Chantal im Märchenland" läuft seit 28. März im Kino

Selinas Filmrezension

Das Abitur ist bestanden, die Schule vorbei und damit auch das Schicksal der "Fack ju Göhte"-Trilogie besiegelt. Doch die Geschichte rund um die bekanntesten Teenager Deutschlands muss noch nicht zu Ende sein, haben sich die Filmemacher von Constantin Film gedacht und prompt den Spin-Off "Chantal im Märchenland" mit Chantal Ackermann (Jella Haase) und ihrer besten Freundin Zeynep (Gizem Emre) gedreht. Wie der Titel bereits verrät, handelt der Film diesmal nicht von dem harten Schulalltag und was es bedeutet, entgegen aller Erwartungen, für seine Zukunft zu kämpfen und seine Ziele zu erreichen. Vielmehr reisen wir mit den beiden BFFs ins Märchenland und mischen die Geschichten der Gebrüder Grimm so richtig auf.

Worum geht es hier? 

Chantal und Zeynep haben ihren Schulabschluss geschafft und stehen jetzt vor der nächsten großen Herausforderung: eine Ausbildungsstelle finden. Als die Zusagen ausbleiben, beschließt Chantal bei einem Social Media Contest mitzumachen, um Influencerin zu werden. Als die beiden durch einen magischen Spiegel in eine Märchenwelt gesogen werden, sieht sie in dem Setting ihre Chance, das Wettbewerbsprodukt bestmöglich bewerten und damit gewinnen zu können. Allerdings haben die Freundinnen ihre Rechnung ohne die Prinzen und Prinzessinnen dieser Welt gemacht, die ihre Pläne ganz schön durcheinanderbringen werden. Und wer hätte gedacht, dass Chantal und Zeynep mit ihren Meinungen, ihrer Sprache und … naja, so ziemlich allem … in der traditionellen, klischeebehafteten Welt der Märchen anecken werden?

Chaos im Märchenland

Während der Zeit im Märchenland begegnen den beiden unter anderem ein tyrannischer König, der gern Wasser aus dem Jungbrunnen trinkt, eine Hexe, die missverstanden wird, heiratswillige Prinzen, die weder auf Frauen stehen noch diese schätzen und natürlich eine wenig hilfsbereite Fee sowie ein zahmer Drache. Kurz um: Die Szenerie steckt voller Anspielungen und Details auf unzählige bekannte Märchen … oder etwa doch nicht?
Denn während Chantal als Prinzessin aus der "elektronischen Welt" alle mit ihrem losen Mundwerk, der albernen Sprache und den feministischen Gedanken zu irritieren scheint, entdeckt sie selbst, dass Geschichten im Märchenbuch gar nicht der Realität entsprechen. Aladdin besitzt keinen fliegenden Teppich. Der Prinz, der Dornröschen wecken soll, küsst lieber seinen Knappen. Und Rotkäppchen soll als Mann verkauft werden.
Mithilfe ihres Handys und ihrer Ghetto-Skills versucht Chantal, die reaktionären Klischees und frauenfeindlichen Meinungsbilder der Märchenwelt zu beseitigen. Für Verwirrung sorgen dabei natürlich immer die Querverweise aus der Realität, wie beispielsweise ihr Tanga, der beim Festmahl als "schön besticktes Taschentuch" bezeichnet wird. 

 

Ähm? Hallo? Handlung, bist du da?

Während der Film vor Schimpfwörtern, Ghetto-Slang, Klischees und Realitätsflashbacks nur so überläuft, fehlt eine ganz wichtige Zutat: die Handlung. Chantal und Zeynep begegnen immer wieder verschiedensten Märchenfiguren. Die einen sind ihnen freundlich gesinnt, die anderen schauen feindselig, dennoch existieren keine richtigen Gegner und damit auch keine Bedrohungen, die Spannung erzeugen oder dem Film einen roten Faden verleihen würden. Der zum Ende hin auftretende Konflikt zwischen den beiden Freundinnen wirkt erzwungen und enttäuscht den Zuschauer damit. Man bekommt das Gefühl, dass dieser Streit und der darauffolgende Kampf um die Freundschaft zu Zeynep hastig hineingeschoben wurde, um einen Höhepunkt zu kreieren und dem Film schlussendlich nicht nur ein Ziel zu geben, sondern mit Chantal auch eine Heldin zu krönen. 

 

Persönliche Meinung

Ehrlich gesagt bin ich mit etwas anderen Erwartungen an den Film herangegangen. Der Charakter und die Ausdrucksweise von Chantal waren mir durch die "Fack Yu Göthe"- Filme bereits geläufig, allerdings hat mich der fehlende Handlungsstrang sehr enttäuscht. Ich sehe durchaus Potenzial in den Kulissen herumliegen, das nicht ausgereizt worden ist. Anstatt planlos von einer Szene in die nächste zu stolpern, hätte eine Abenteuerreise durch die Märchenwelt einfach mehr Sinn ergeben und dem Film einen roten Faden verliehen, den ich sehnsüchtig gesucht, aber nicht gefunden habe. Man erkennt immer mal wieder in einzelnen Szenen Ansätze von Verstand und Logik, die aber leider nicht zu Ende gedacht wurden. Ein weiterer Kritikpunkt meinerseits ist die Mischung aus Slang, Schimpfwörtern, Denglisch und Abkürzungen, die einem von Minute eins an dauerhaft um die Ohren geflogen sind. Hier hätte ich mir zwischendrin so kleine Inseln der Ruhe gewünscht, anhand derer man hätte erkennen können, dass wenigstens noch ein bisschen gesunder Menschenverstand im Spiel … ich meine im Film … ist. Ich bin selbst noch nicht lang aus dem Teenageralter heraus, trotzdem wusste ich manchmal nicht mehr, wovon hier eigentlich gesprochen wird und hätte mir doch gern einen Untertitel gewünscht. Alles in allem verspricht der Film einen satirischen Blick auf überholte Wert- und Moralvorstellungen von Märchen und vermittelt die wichtigen Botschaften, dass Soziale Medien und Follower echte Liebe und Freundschaft niemals ersetzen können. Dass man alles schaffen kann, was man möchte, wenn man nur fest genug an sich selbst glaubt und dass man gut so ist, wie man ist und sich niemals verstellen sollte.


Würde ich diesen Film empfehlen?

Wer gerne lacht und den Kopf mal komplett abschalten möchte, sollte sich diesen Film ansehen. Er sorgt für einige herzhafte Lacher und viele Schmunzler. Allerdings sollte weder die Protagonistin, noch die Handlung wirklich ernstgenommen werden. Schaut den Film als Komödie. Schaut ihn mit dem Hintergrundwissen, dass Chantal, die dümmliche Schülerin, die Hauptfigur spielt. Nehmt den Film einfach so, wie er ist und habt Spaß beim Anschauen.
 



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