Sicherlich haben wir alle schon einmal gesehen, wie Influencer über ihre sozialen Kanäle Produkte bewerben. Ich habe natürlich auch schon Sachen gekauft, weil ich über diesen Weg angefixt wurde. Oft habe ich mich dabei gefragt, wie es sein kann, dass Influencer dabei so überdurchschnittlich viel Geld verdienen können und warum Firmen überhaupt heutzutage noch bereit sind, so viel den Creatorn zu bezahlen. Nun hatte ich die Chance alle meine Fragen einem echten Profi auf dem Gebiet zu stellen.
Andreas Bock ist Gründer und CEO der Famez Media Group, einer Berliner Social-Media-Agentur speziell für OnlyFans und F2F. Als Talentmanager betreut er zahlreiche Creators und verhilft ihnen zu mehr Erfolg und Reichweite auf der Plattform. Da er mit seiner Agentur crossmedial agiert, kennt er die Vorteile der unterschiedlichen sozialen Netzwerke und weiß, worauf es bei einer erfolgreichen Kampagne ankommt.
BLICK.de: Warum wählen so viele Firmen nach all den Jahren immer noch Influencer, um ihre Produkte zu vermarkten, anstatt herkömmlicher Wege?
Andreas Bock: "Im Gegensatz zu Werbekanälen wie Print, Fernsehen oder Radio bieten Influencer den großen Vorteil der persönlichen Beziehung. In der Regel haben Creators eine starke Bindung zu ihrer Follower-Base, sie erfüllen eine Art Vorbildfunktion. Innerhalb ihrer Communitys stehen Influencer für gewisse Werte. Gehen sie eine Kooperation ein, signalisiert dies den Followern, dass auch das werbende Unternehmen für diese Werte einsteht. Influencer-Marketing stellt also den logischen nächsten Schritt für Marken oder Unternehmen dar, die Authentizität und Glaubwürdigkeit vermitteln möchten. Natürlich profitieren sie dabei vor allem von der Reichweite ihrer Werbepartner in den sozialen Medien: je höher, desto mehr Menschen werden angesprochen. Bei einer sehr eng gefassten Zielgruppe kann sich aber auch eine Kooperation mit kleineren Influencern lohnen, die mit ihrem Content entsprechende Nischeninteressen bedienen."
Immer mehr Firmen bewerben über Influencer ihre Produkte - Tendenz steigend
BLICK.de: Wie schätzen Sie den Trend "Influencer-Marketing" in den nächsten fünf Jahren ein: Kommt irgendwann der Peak und es geht wieder zurück oder wird es einfach immer mehr?
Andreas Bock: "Wie bei anderen Werbemaßnahmen kommt es beim Influencer-Marketing auf die Effektivität an. Solange Unternehmen ihre Zielgruppen über Social-Media-Persönlichkeiten erreichen und die Ausgaben durch entsprechende Resultate zu rechtfertigen sind, wird es eher mehr als weniger Betriebe geben, die sich das zunutze machen. Immerhin planen laut einer Schätzung von Statista 78 Prozent der deutschen Marketer in diesem Jahr Budget für Influencer-Marketing ein, insgesamt circa 641 Millionen Euro. Prognosen zufolge soll 2029 sogar ein Marktvolumen von etwa 967 Millionen Euro erreicht werden - das entspricht in etwa einem jährlichen Umsatzwachstum von 8,5 Prozent. Tatsächlich steigt die Tendenz also. Mittlerweile machen viele Influencer und Content Creators auch nicht mehr ausschließlich Werbung für andere, sondern gründen vermehrt eigene Unternehmen, um Produkte auf den Markt zu bringen. Die sogenannte Creator Economy wächst stetig - Goldman Sachs prognostiziert bis 2027 eine Verdopplung auf 480 Milliarden US-Dollar Marktvolumen. Es handelt es sich hier also um einen riesigen Wirtschaftszweig mit nicht zu unterschätzendem Potenzial, besonders im Start-up-Bereich."
"Das Ergebnis rechtfertigt den Preis"
BLICK.de: Wieso sind Firmen bereit, für Influencer so viel Geld zu bezahlen? Dadurch wird sicherlich auch der Marktwert der Influencer in die Höhe getrieben und sie können immer mehr verlangen, oder?
Andreas Bock: "In Sachen Bezahlung verhält es sich beim Influencer-Marketing wie anderswo auch: Das Ergebnis rechtfertigt den Preis. Können Unternehmen durch die Zusammenarbeit mit Creators einen hohen Return of Investment verzeichnen, sind sie gewillt, im Voraus mehr zu bezahlen. In der Regel errechnen sich die Beträge pro Post anhand der Reichweite des Creators, aber auch individuelles Verhandlungsgeschick spielt bei der Vergütung eine große Rolle. Gerade viele kleinere Influencer betreiben ihre Werbeaktivitäten nach dem Quid-pro-quo-Prinzip als sogenannte Barter-Deals - das Unternehmen bekommt Werbung durch den Creator und dieser erhält kostenfrei Produkte von seinem Kooperationspartner. Generell lässt sich festhalten, dass es im Bereich Influencer-Marketing für eine erfolgreiche Kooperation entscheidend ist, als werbendes Unternehmen Creators auszuwählen, die zur eigenen Brand passen - wie optimal dieser Fit ist, bestimmt die Vergütung mit."
"Das Influencer-Dasein ist ein Fleißprojekt, denn von nichts kommt nichts."
BLICK.de: Was muss man heute mitbringen, um selbst Influencer werden zu können? Oder ist die Branche übersättigt und es ist kaum mehr möglich?
Andreas Bock: "Für den Erfolg als Influencer sind einige Faktoren besonders hervorzuheben: Authentizität, Geduld, Konsistenz und Content. Natürlich kuratieren Creators ihre Onlinepräsenz so, dass sie zu einem bestimmen Selbstbildness passt - etwa in Form von lustigen Videos, schönen Reisebildern oder Fitness-Tutorials. So bauen sie über Monate und Jahre ihre Reichweite sowie eine Community auf. Es ist jedoch extrem wichtig, dabei authentisch zu bleiben. Niemand muss zwingend seinen Namen und seine Lebensgeschichte teilen, insbesondere auf Paid-Content-Plattformen wie OnlyFans. Aber sich als nahbare, facettenreiche Persönlichkeit darzustellen, weckt Interesse und Empathie bei den Viewern. Dazu gehört, sich eine Nische oder ein Thema auszusuchen, das nicht nur auf Social Media gut zieht, sondern die eigenen Leidenschaften widerspiegelt. Vor allem ist das Influencer-Dasein aber ein Fleißprojekt, denn von nichts kommt nichts. Wer im Internet Erfolg haben möchte, muss nicht nur interessanten, sondern auch kontinuierlich Content liefern. In der Regel dauert es mehrere Jahre, bis sich jemand eine eigene Community aufgebaut hat - während dieser Zeit ist es entscheidend, nicht die Motivation zu verlieren und dranzubleiben. Nicht zuletzt ist es für Creators aller Art essenziell, den Kontakt zu ihren Followern zu suchen und aufrechtzuerhalten, also auf Kommentare individuell zu antworten, um Feedback zu bitten und generell Interaktion bewusst zu fördern. Speziell für OnlyFans-Creators erweist sich der enge Kontakt als ausschlaggebend, weil die eigenen Inhalte hinter einer Paywall liegen. Die Erwartungshaltung ist da eine ganz andere, weswegen es unerlässlich ist, dort noch mehr auf Interaktion und persönlichen Austausch zu setzen. Zudem verfügt OnlyFans über keine eigene Suchfunktion, daher sind Creators hier insbesondere auf plattformübergreifende Promotion angewiesen, um Abonnenten zu gewinnen."
BLICK.de: Was war der höchste Betrag, den Sie kennen, den ein Influencer für eine Kampagne erhalten hat, und für was war es?
Andreas Bock: "Als reichster Influencer der Welt gilt derzeit Cristiano Ronaldo. Laut Forbes-Schätzung nahm er 2023 insgesamt mehr als 130 Millionen Dollar ein - zwei Drittel davon durch seine Social-Media-Aktivität. Angaben des Planungstools Hopper HQ zufolge verdient er pro Werbepost durchschnittlich über drei Millionen Dollar. Zuletzt promotete er auf seinem Instagram-Profil ein spezielles basisches Wasser eines spanischen Herstellers."
Kann ein Normalo lukrativ mit OnlyFans Geld verdienen?
BLICK.de: Wie schätzen Sie die Chancen ein, mit OnlyFans als "Normalo" Geld zu verdienen?
Andreas Bock: "Besonders auf OnlyFans hängt der Erfolg davon ab, wie viel Traffic Creators auf anderen Social-Media-Plattformen generieren können. Wer bereits auf Instagram, TikTok, YouTube und Co. bekannt ist, dem fällt es natürlich leichter, auch für OnlyFans Abonnenten zu gewinnen. Wobei es auch hier stark darauf ankommt, welches Nischeninteresse jemand bedient und ob sich dieser Content für ein Bezahlmodell eignet. OnlyFans ist zwar als Erotikplattform bekannt, jedoch nicht auf diesen Themenbereich beschränkt - von Fitness- und Ernährungs-Coachings bis zu exklusiven Musikinhalten ist die Bandbreite sehr vielfältig."
BLICK.de: Wie schätzen Sie die Gefahren von OnlyFans für Creators ein. Sicherlich werden hier auch Sachen geleakt und bleiben nicht der Plattform vorbehalten.
Andreas Bock: "Wie bei jeder anderen Social-Media-Plattform hat die Aktivität auf OnlyFans positive wie negative Seiten. Sozialen Druck, Internet-Trolle und Hasskommentare gibt es im online zuhauf, daher ist es umso wichtiger, dass Creators selbst entscheiden, mit welchen Inhalten sie sich wohlfühlen, wie viel sie von sich preisgeben und welche klaren Grenzen sie für sich ziehen. Da OnlyFans-Nutzer oft erst ein kostenpflichtiges Abo abschließen, um beispielsweise Bilder und Videos abzurufen, ist hier aber gegebenenfalls die Hemmschwelle etwas höher. Trotzdem kann es vorkommen, dass Inhalte gegen den Willen der Creators geleakt und illegal als Raubkopien über andere Plattformen verbreitet werden. Es handelt sich dabei jedoch um einen Verstoß gegen das Urheberrecht."
BLICK.de: Vielen Dank für das Interview.
erschienen am 29.04.2024