Ich glaube es gibt nur wenige Erlebnisse, bei denen völlige Extase und das Gefühl, kurz vor der Ohnmacht zu sein, so nah beieinanderliegen wie auf einem Festival. Und wahrscheinlich gilt das gerade dann, wenn man sich zum ersten Mal auf so einem befindet. Mit 23 dachte ich mir also, dass es mal so langsam an der Zeit dafür wäre. Ich hab viel darüber gehört, aber wenig darüber gewusst. Ich denke, man kann das erste Festival seines Lebens mit dem ersten Mal Sex vergleichen. Man weiß vorher absolut nicht, was da auf einem zukommt, währenddessen hat man auch nicht so richtig einen Plan was man hier eigentlich gerade so macht, und danach versucht man es wohl noch lange Zeit zu realisieren. Aber es bleibt auf jeden Fall unvergesslich.
Die größte Party meines Lebens
Also stand ich da nun, mitten auf einem riesigen Zeltplatz, dessen Größe man sich nur schwer vorstellen kann. Als kleine Hilfe: Als ich nachts auf dem Weg zurück zu meinem Zelt nur einmal falsch abgebogen bin, habe ich eine Stunde gebraucht um in meinem Camp anzukommen. Knapp 80.000 Menschen feiern im niedersächsischen Scheeßel vier Tage und Nächte durch, die meisten übernachten eben auf dem Zeltplatz. Nach einer wirklich sehr gut organisierten und reibungslosen Anreise haben wir also unser Camp aufgebaut. Und es dauerte nicht mal eine Stunde, da hat man sich mit dem Nachbarcamp angefreundet, ein oder sehr viele Bier mit ihnen getrunken und gemeinsam alle Malle-Partyhits, die es so gibt, durchgehört. Auch die nächsten Tage sahen abseits des Festival-Geländes ähnlich aus, generell habe ich so offene Menschen noch nie gesehen, es gab nie Stress oder irgendeine Art von Aggression. Alle waren einfach glücklich, dass nach zwei Jahren Pause wieder gefeiert werden durfte. Dagegen konnten auch gefühlte 35 Grad im Schatten am Samstag, bei denen man froh war, vor der Bühne sowie starke Windböhen und Regen am Sonntag nichts machen.
Diese Bands lieferten (nicht) ab
Doch auch auf dem Festival-Gelände ging die Party weiter. Die größten Bands Deutschlands und der Welt gaben sich auf insgesamt vier Bühnen die Ehre. Doch neben Musik-Giganten wie K.I.Z., Rise Against und Twenty One Pilots haben auch (noch) kleiner Künstler und Newcomer wie Provinz und Schmyt eine Wahnsinns-Show abgeliefert. Besonders in Erinnerung ist mir der Auftritt von Bring Me The Horizon geblieben. Frontsänger Oliver Sykes hatte sichtlich Spaß an seinem Auftritt und hat das Publikum komplett abgeholt. Von wem man das meiner Meinung nach leider nicht behaupten kann war der Headliner vom Sonntag: Kings of Leon. Kaum Interaktion mit dem Publikum und ein irgendwie sehr lustlos wirkender Auftritt konnte mich nicht überzeugen, mir das gesamte Konzert anzuhören. Doch solche Auftritte waren zum Glück sonst kaum weiter vorhanden. Freitag heizte SDP, die "bekannteste unbekannte Band der Welt", dem Publikum richtig ein, und Kummer hat mit Blond und Nura gleich zwei Gäste mit auf seine Bühne gebracht.
Viele kulinarische Alternativen
Wenn man sich an Bratwurst und Dosenravioli irgendwann sattgegessen hat, was bei Zweiterem bereits nach zwei Löffeln der Fall war, gab es eine riesige Auswahl an Essenstände auf dem Gelände, von der klassischen Currywurst mit Pommes bis zum exotischen Pulled-Pork Burger war für jeden Besucher was dabei. Wer allerdings auch auf dem Festivalgelände weiter ein kühles Bier genießen wollte, der musste mit sechs Euro zzgl. Pfand schon sehr tief in die Tasche greifen. Doch hatte man nach der bekannten Regel "Friss oder Stirb" auch nicht wirklich eine Wahl.
Alles in allem hat mir dieses Erlebnis richtig gut gefallen, und auch wenn es nicht gerade das günstigste Wochenende war, ich kann jedem nur empfehlen, sich auch mal in dieses Abenteuer zu stürzen.
erschienen am 21.06.2022