Etwas verwirrend ist sicherlich, dass in den Geschichtsbüchern für die Geburtsstunde der sächsischen Auto Union zwei Tage kursieren. Allerdings sind beide nicht falsch, was sich so erklärt.
Infolge des New Yorker Börsencrashs im Oktober 1929 und der damit einhergehenden Weltwirtschaftskrise erlebte die noch junge und bislang stets aufsteigende Automobilindustrie einen ersten herben Rückschlag. Firmeninsolvenzen waren an der Tagesordnung. Andere Unternehmen versuchten, sich mit Firmenzusammenschlüssen über Wasser zu halten. Einer der bedeutendsten Firmenzusammenschlüsse dieser Zeit war jener der sächsischen Automobil- und Motorrad-Hersteller Audi, DKW, Horch und der Wanderer-Automobilsparte. Dieser wurde unter dem Namen Auto Union auf Initiative der Sächsischen Staatsbank als Aktienmehrheitseigner (97 Prozent) am 29. Juni 1932, also heute vor 90 Jahren vollzogen. Allerdings wurde die Auto Union AG rückwirkend zum 1. November 1931 ins Handelsregister des Amtsgerichtes Chemnitz eingetragen. Nachdem Verhandlungen zur Einbeziehung von Hanomag in Hannover und Brennabor in Brandenburg an der Havel gescheitert waren, vereinte die rein sächsische Auto Union die Zwickauer Audi- und Horch-Werke sowie die Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen. Zudem wurde ein Kauf- und Pacht-Vertrag zur Übernahme der Automobil-Abteilung der Chemnitzer Wanderer-Werke abgeschlossen.
Gemeinsam stark
Mit der Verschmelzung versprach man sich eine Konzentration der Kräfte und eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit. Zwar behielt jeder Hersteller sein Markenzeichen, das weiterhin zusätzlich unter dem neuen (Gesamt-)Logo mit vier waagerecht angeordneten und ineinander verschlungenen Ringen angebracht werden konnte, sowie eine gewisse Eigenständigkeit, doch durch die Zentralisierung von Unternehmensleitung, Konstruktionsbüro und Versuchsabteilung konnten die gesteckten Ziele schnell erreicht werden.
Ebenfalls ließen die Standardisierung von Karosserie-, Fahrwerks- und Getriebe-Elementen die Auto Union binnen kürzester Zeit zur Nummer 2 der deutschen Automobilhersteller aufsteigen. Jeder der vier Hersteller profitierte von der Liaison. Bei Audi stiegen die Zulassungszahlen von 53 Stück pro Jahr auf über 700. Dieser Ausstoß scheint zwar gegenüber dem von Opel, DKW oder Adler eher gering, doch sei angemerkt, dass Audi, wie auch Horch, Fahrzeuge für einen eher erlesenen Kreis herstellte und nicht die breite Masse der Bevölkerung bediente oder bedienen wollte.
Natürlich profitierte die Auto Union auch von den großen sportlichen Erfolgen, die Hans Stuck, Bernd Rosemeyer, Achile Varzi und Tazio Nuvolari auf den Zwickauer Silberpfeilen herausfahren konnten. Großen Anteil am wirtschaftlichen und sportlichen Aufschwung der deutschen Autoindustrie hatte dabei zweifelsohne das Nazi-Regime, doch 1939 war es mit der Herrlichkeit vorbei. Hitler und sein Krieg verwandelten Deutschland und seine einst blühenden Unternehmen in einen Scherbenhaufen.
Firmen-Exil im Westen Deutschlands
Während im Westen Deutschlands, dank des Marshall-Plans, der Wiederaufbau der Industrie schneller vorangetrieben werden konnte, begannen die Sowjetrussen im Osten alles noch verwertbare abzubauen und als Reparationsleistungen ins eigene Land abzutransportieren. Der Großteil der Auto-Union-Konzernleitung hatte sich indessen in den Westen Deutschlands abgesetzt und versuchte hier wieder Fuß zu fassen.
Dies geschah zunächst in Form eines Ersatzteildepots. So wurde im März 1947 in Ingolstadt die Auto Union GmbH gegründet. In Chemnitz wurde dagegen gleichnamige AG aus dem Handelsregister gelöscht. Auf den provisorischen Ersatzteilhandel in Bayern folgte bereits 1949 das erste Nachkriegsprodukt der Auto Union. In den Nachkriegsjahren bestand vor allem ein Bedarf an Transportfahrzeugen. Somit war der DKW Schnelltransporter F 89 L mit Zweitaktmotor und Frontantrieb genau das richtige Fahrzeug um auch im Automobilbau wieder Fuß zu fassen.
Mit der DKW RT 125 W, das W stand für West, hatte die Auto Union GmbH auch auf dem Zweiradsektor etwas zu bieten. Im darauffolgenden Jahr entstand der DKW F9, der eigentlich schon vor dem Krieg serienreif gewesen war. Nun hatte die neue Auto Union auch wieder einen PKW im Programm und vertraute auch hierbei auf Zweitaktmotoren.
Neuer alter Name
Als gegen Ende der 50er Jahre auch die neue Auto Union GmbH nach finanzstarken Partnern suchte, um weitere Investitionen zu tätigen, zeigte Daimler-Benz Interesse und beteiligte sich als Hauptaktionär bei den Ingolstädtern.
Da Zweitaktmotoren inzwischen nicht mehr zeitgemäß waren, drängten die Stuttgarter auf marktübliche Antriebsaggregate. Dieser Bedingung konnte oder wollte man bei Auto Union lange Zeit nicht nachkommen.
1964 erwarb VW 50,3 Prozent der Aktienanteile und bis 1966 den Rest. 1965 wurde dann doch ein Viertaktmotor in einen DKW F102 eingepflanzt. Mit diesem radikalen Schnitt sollte nun auch die Markenbezeichnung den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Dazu wurde "Audi" zu neuem Leben erweckt und feierte in der Folgezeit nicht nur Verkaufs- sondern auch zahleiche Motorsport-Erfolge.
So wurden 1983 Hannu Mikkola und Arne Hertz erste Rallye-Weltmeister für Audi. 1984 bestätigten Stig Blomquist und Björn Cederberg diese Leistung.
1985 folgte dann die Umbenennung in Audi AG, womit der einst in Zwickau gefundene Ersatzname für Horch als einziger der vier großen sächsischen Hersteller der ehemaligen Auto Union auch weiterhin in aller Munde bleiben sollte.
Vorsprung durch Technik auch im Motorsport
Nach den Zahlreichen Rallye-Erfolgen stellte der Quattro seine Vorteile auch auf der Straße unter Beweis. So konnten 1990 Hans-Joachim Stuck und 1991 Frank Biela im Audi V8 quattro Deutsche Tourenwagen Meister werden.
Auch in der Ende 1996 beerdigten (alten) und 2000 wiederbebten (neuen) DTM strichen die Ingolstädter zahlreiche Titel ein. So 2002 mit Laurent Aiello und dem Abt-Audi TT-R und hinter dem Kemptener Rennstall versteckt, sowie mit vollem Werksengagement 2004 und 2007 (Mattias Ekström), 2008 und 2009 (Timo Scheider), 2011 (Martin Tomczyk), 2013 Mike Rockenfeller) und 2017, 2019 und 2020 (Rene Rast).
Im ADAC GT Masters sicherten Christian Abt 2009, Kelvin van der Linde und Rennen Rast 2014, Connor de Phillippi und Christopher Mies 2016 sowie Patric Niederhauser und Kelvin van der Linde 2019 für Audi weitere nationale Titel.
Auf internationaler Bühne waren nach dem Gewinn der Rallye-Weltmeisterschaft die 13 Le-Mans-Siege (2000 bis 2002, 2004 bis 2008 sowie 2010 bis 2014) die bisherigen Highlights in der motorsportlichen Firmengeschichte.
Audi und der neue Sachsenring
Beim Comeback des Sachsenrings als Rennstrecke 1996 dominierten die aktuellen Renn-Audis unweit ihrer Namenstaufstätte Zwickau die beiden Rennen zum STW-Cup. Durch Philipp Peter und Emanuele Pirro gewann Audi dann sowohl den Sprint, als auch das Hauptrennen.
Von 2000 bis 2002 gastierte die DTM am Sachsenring, wobei im dritten Jahr der Franzose Laurent Aiello in einem Abt-Audi TT-R sowohl das Qualifyingrennen über neun Runden wie auch den eigentlichen Wertungslauf über 28 Umläufe gewann.
Seit der Einführung der Auto-Rennserie ADAC GT Masters im Jahr 2007 sind Audis Jahr für Jahr auf dem Sachsenring zu erleben. In den bisherigen 30 Rennen der "Liga der Supersportwagen" auf dem Sachsenring ist Audi hier mit 13 Laufsiegen die bis dato erfolgreichste Marke.
erschienen am 29.06.2022