Mit einem (Vor-Corona-)Umsatz von etwa 81 Milliarden Euro und etwa 1,13 Millionen Erwerbstätigen ist die Veranstaltungswirtschaft die sechstgrößte Wirtschaftsbranche in Deutschland. Gleichzeitig ist es der von den Corona-Schutzmaßnahmen am härtesten getroffene Wirtschaftszweig. Wie das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in einer Mitteilung bekannt gab, ist der Geschäftsklimaindex der Branche von minus 2,2 Punkten im Oktober auf minus 26 Punkte im November gesunken. Klaus Wohlrabe, stellvertretender Leiter des Instituts, schreibt dazu: "Bis Oktober gab es noch Hoffnung auf Besserung. Diese ist im November verschwunden."

Perspektivlosigkeit seit fast zwei Jahren

Die gemeinsame Allianz "Forum Veranstaltungswirtschaft" beklagt vor allem die Perspektivlosigkeit, unter der die Branche seit 22 Monaten leidet. "Letztlich befinden wir uns seit März 2020 in einem faktischen Lockdown. Auch wenn in dieser Zeit vereinzelt immer wieder kleinere Veranstaltungen durchgeführt wurden, waren diese nach einhelligem Urteil der Verbandsvertreter mit Kapazitätsbeschränkungen und erheblichem zusätzlichem Personalaufwand sowie auch aufgrund der vom Publikum erwarteten Infektionsschutzmaßnahmen wirtschaftlich bedeutungslos", kommentiert Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV).

Die Branche habe bis heute nur aufgrund der Corona-Fördermaßnahmen des Bundes überleben können. "Diese sind zwar beachtlich und in Europa sicher auch einmalig. Wenn jedoch ein Wirtschaftszweig so herausragend von einer Wirtschaftskrise betroffen ist, bedarf es eines umfassenden, auf den konkreten Bedarf zugeschnittenen Sonderprogramms, um sein wirtschaftliches Überleben zu retten. Ein solches Programm muss dann jedenfalls eine Laufzeit bis Ende 2022 haben."

"Sozialversicherungsbeiträge nicht leistbar"

Linda Residovic, Geschäftsführerin des Verbandes für Medien- und Veranstaltungstechnik (VPLT), nennt ein Beispiel: "Wir begrüßen die Verlängerung des erleichterten Zugangs und die Bezugsdauer beim Kurzarbeitergeld. Allerdings: Die Erstattung von lediglich 50 Prozent der Sozialversicherungsbeiträge ab dem 1. Januar 2022 ist aber für viele Unternehmen nicht leistbar.

Der Fachkräftemangel, der durch die Krise entstanden ist, gefährdet eine Erholung der wirtschaftlichen Tätigkeiten im Jahr 2022. Die Branche benötigt von der Bundesregierung endlich klare finanzielle und inhaltliche Perspektiven."

Selbstständige: "Absicherung muss zur Arbeitswirklichkeit passen"

Dies fordert für die große Zahl der Solo-Selbständigen des Wirtschaftszweigs auch Marcus Pohl, Vorstandsvorsitzender der Interessengemeinschaft der selbstständigen Dienstleisterinnen und Dienstleister in der Veranstaltungswirtschaft (isdv): "Die Pandemie hat gezeigt, dass es einer Absicherung bedarf, die auch Selbstständigen gerecht wird.

Die Grundsicherung ist dafür jedenfalls nicht geeignet. Die Absicherung der Selbstständigen ist im Koalitionsvertrag der neuen Regierung genannt. Ich erwarte dazu nun eine starke Einbeziehung der Verbände der Selbstständigen in den Dialog der Regierung, damit zukünftig die Ausgestaltung zur Arbeitswirklichkeit der Selbstständigen passt."

Kommunale Finanzen stärken

Doch nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die von öffentlichen Haushalten abhängigen Veranstaltungshallen, Arenen und Spielstätten befinden sich infolge der Dauer der Krise am Ende ihrer Leistungsfähigkeit.

Dazu sagt Timo Feuerbach, Geschäftsführer des Europäischen Verbands der Veranstaltungs-Centren (EVVC): "Die neue Bundesregierung muss den Ankündigungen im Koalitionsvertrag, die kommunalen Finanzen zu stärken, Taten folgen lassen. Die Veranstaltungsstätten sind insbesondere beim klimagerechten Ausbau Ihrer Infrastruktur auf handlungsfähige Städte und Gemeinden angewiesen."

Geschäftsmodell Live-Musik braucht "Marshall-Plan"

Seit Beginn der Krise sind die Musikclubs und Live-Spielstätten von allen Schließungsmaßnahmen an allererster Stelle betroffen. Axel Ballreich vom Verband der Musikspielstätten in Deutschland (LIVEKOMM) fordert daher: "Live-Clubs und Musikspielstätten sind in der nunmehr vierten Welle ein weiteres Mal, man könnte fast sagen, immer noch geschlossen. Der Vertrauensverlust bei den Besuchern wird durch jede neue Verschiebung von Konzerten und Absagen von Partys immer größer.

Das Geschäftsmodell Live-Musik an sich wird damit zunehmend in Frage gestellt. Wir brauchen dringend einen 'Marshall-Plan' für die Veranstaltungswirtschaft, wenn unserer mittelfristig so gebeutelten Branche wieder auf die Beine geholfen werden soll." Und Michow ergänzt: "Da das Corona-Virus sich auch im kommenden Jahr nicht einfach in Luft auflösen wird, brauchen wir endlich nachvollziehbare einheitliche Kriterien für eine bundesweite Öffnungsperspektive."

Ständiger Ansprechpartner benötigt

Um wieder in einen zielführenden Dialog zu kommen und Lösungen für die Branche im Detail zu diskutieren, fordern die Vertreter des Forums Veranstaltungswirtschaft einen ständigen Ansprechpartner für die Veranstaltungswirtschaft im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. "Vor über einem Jahr hat der jetzige Bundesminister Habeck einen '10 Punkte-Plan zur Rettung der Veranstaltungswirtschaft' vorgelegt. Nun ist er in der Position, den Plan in die Tat umzusetzen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger erwarten wir nun von unserem neuen Wirtschaftsminister", so Feuerbach abschließend.

Forum Veranstaltungswirtschaft

Die Veranstaltungswirtschaft umfasst neben dem öffentlichkeitswirksamen Kulturveranstaltungsbereich auch die Veranstaltungsunternehmen der Messe-, Kongress- und Tagungswirtschaft, die Betreiber von Veranstaltungshäusern und Musikclubs, Agenturen und Künstlervermittler bis hin zum Schaustellergewerbe sowie rund 243.000 vor allem im Dienstleistungsbereich tätige Solo-Selbständige.

Ihre wirtschaftlichen Interessen werden durch sechs maßgebliche Branchenverbände repräsentiert, die seit Beginn der Pandemie in der Allianz "Forum Veranstaltungswirtschaft" kooperieren und Netzwerke, Kompetenzen und Ressourcen bündeln, um damit und durch einen gemeinsamen Auftritt bei der politischen Lobbyarbeit noch schlagkräftiger zu sein. rih