Weniger Stunden zu arbeiten und trotzdem das gleiche Gehalt einzustreichen, kann einer Studie zufolge Vorteile für Arbeitgeber und Beschäftigte bringen. Experten stellten in Düsseldorf eine Studie zur sogenannten Vier-Tage-Woche vor. 41 deutsche Unternehmen und Organisationen hatten testweise ein halbes Jahr ein neues Arbeitszeitmodell eingeführt. 

Die Produktivität sei leicht gestiegen, sagte Studienleiterin Julia Backmann von der Universität Münster. Die Beschäftigten hätten weniger Stress gehabt, sie seien zufriedener geworden und hätten von einer verbesserten mentalen sowie körperlichen Gesundheit berichtet. Nach der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells änderten viele Unternehmen ihre Abläufe. Eine Maßnahme: Sie hatten weniger oder zumindest kürzere interne Meetings.

Studie beleuchtet vor allem kleine Unternehmen

Die Aussagekraft der Studie der Universität Münster, in die auch die Unternehmensberatung Intraprenör eingebunden war, ist begrenzt, da die teilnehmenden Organisationen nicht repräsentativ sind für die deutsche Wirtschaft. Mitgemacht haben unter anderem Kindergärten, Steuerberatungen und Architekturbüros, aber auch ein Unternehmen der Logistikbranche mit Schichtarbeit. Die Studie betraf 900 Menschen. Älteren Angaben zufolge hatten zwei Drittel der teilnehmenden Organisationen weniger als 50 Beschäftigte.

Ähnliche Studien gab es zuvor in Großbritannien, Südafrika und den USA, auch hierbei waren positive Effekte festgestellt worden. Die deutsche Studie war umfangreicher als diese Untersuchungen, hierzulande wurden 600 Interviews durchgeführt. Außerdem setzten die Fachleute darauf, dass Beschäftigte Fitnesstracker trugen und dadurch Daten zu Stresslevel und Schlafdauer festgehalten wurden. Sogar rund 250 Haarproben zur Messung des Stresshormons Cortisol wurden genommen.

Für die Studie gab es zwei Testgruppen: Eine hatte weniger Arbeitszeit und eine die normale Arbeitszeit. "Die Vier-Tage-Woche-Gruppe hatte im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant weniger Stress, sie hatte eine signifikant höhere Schlafdauer und ein höheres Aktivitätslevel", sagt die Wirtschaftswissenschaftlerin Backmann.

Verschiedene Arbeitszeitmodelle erprobt

Die Studie trägt zwar den Titel "Die Vier-Tage-Woche in Deutschland". Es geht aber längst nicht immer um eine Reduzierung der Arbeitszeit um 20 Prozent. Vielmehr wählten die Teilnehmer unterschiedliche Modelle: Nur jede fünfte Organisation entschied sich für die eigentliche Vier-Tage-Woche, der Rest für eine geringere Reduzierung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt. Im Schnitt aller Teilnehmer sank die Arbeitszeit um vier Stunden pro Woche. 

Carsten Meier von der Beratung Intraprenör, die das Konzept der Vier-Tage-Woche bewirbt, sieht Potenzial für eine Vier-Tage-Woche in Deutschland. "Es schlummert unter zu vielen Meetings, zu komplizierten Prozessen und vielleicht auch noch zu geringer Digitalisierung." Es gebe aber keineswegs "auf Knopfdruck" positive Ergebnisse, sondern die Organisationen müssten hart arbeiten.

Experte will Debatte ankurbeln

Meier versteht die Studie als Beitrag zu einer gesellschaftlichen Debatte, um Arbeit neu zu definieren. "Wir brauchen in Deutschland ein neues Verständnis von Leistung – eines, das eben nicht an geleisteter Arbeitszeit festhält, sondern sich auf Ergebnisse und Ziele konzentriert." Man brauche eine Arbeitswelt, die wirtschaftlich erfolgreich und innovativ sei und gleichzeitig Mitarbeitern helfe, gesund zu sein und ihnen ein attraktives Arbeitsumfeld biete.

Professorin Backmann schränkt ein, es gehe bei der Studie nicht darum, eine flächendeckende Einführung der Vier-Tage-Woche über alle Branchen hinweg zu propagieren, sondern sie als "eine Möglichkeit eines innovativen Arbeitszeitmodells und ihrer Wirkung" zu testen.

Als positives Beispiel wurde Harald Urban vorgestellt. Seine Steuerberatung mit 16 Mitarbeitern in Schönaich bei Stuttgart führte die Vier-Tage-Woche ein, um möglichem Burn-out entgegenzuwirken sowie um die Mitarbeiterbindung und die Motivation zu erhöhen. Außerdem wollte man im Werben um Fachkräfte attraktiver sein, sagt Urban. "Unsere Erwartungen wurden erfüllt und übertroffen." Da man "auch wirtschaftlich zufrieden" sei, setze man nun dauerhaft auf die Reduzierung der Arbeitszeit um 20 Prozent bei Vollzeit-Gehalt. 

Von den Teilnehmern des Pilotprojekts möchten den Angaben zufolge knapp drei Viertel mit der testweise eingeführten Arbeitszeitreduzierung weitermachen, ein Fünftel hört damit auf und macht weiter wie zuvor. Der Rest ist noch unentschlossen.

Reaktionen von Arbeitgebern und von der Gewerkschaft

Die Arbeitgebervereinigung BDA äußert Kritik. "Im internationalen Vergleich arbeiten wir Deutsche über das Jahr gerechnet schon heute mit am wenigsten", sagt BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter und weist darauf hin, dass sich Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, bewusst gegen eine Teilnahme an dem Versuch entschieden hätten. "Letztlich wäre eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich nur eine massive Lohnsteigerung, die sich die allermeisten Unternehmen nicht leisten können."

Anstatt darüber zu reden, weniger zu arbeiten, sollte man darüber reden, die Stunden in einer Woche flexibler zu verteilen. "Da, wo es passt, Montag bis Donnerstag mal mehr arbeiten und Freitag frei – das sollte möglich sein, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber das vereinbaren." Mit Blick auf die schwache Konjunktur merkt der FDP-Bundespolitiker Reinhard Houben an: "Bisher ist noch keine wirtschaftliche Stagnation durch weniger Arbeit überwunden worden."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) äußert sich eher vorsichtig zu dem Thema. Vorstandsmitglied Anja Piel sagt, es müsse zunächst geklärt sein, was genau mit Vier-Tage-Woche gemeint sei. "Wenn bei vollem Lohnausgleich nur vier Tage gearbeitet wird und sich dabei die Arbeitsbelastung nicht erhöht, kann das im Idealfall zu mehr Arbeitszufriedenheit und zu höherer Produktivität führen." Sie warnt vor einer "Mogelpackung", wenn das gleiche Arbeitspensum auf weniger Tage verteilt würde und die Beschäftigten dadurch noch stärker im Hamsterrad des Arbeitsalltags wären als zuvor.