In der stillen Dunkelheit des frühen Morgens verhallt das Geräusch ferner Explosionen israelischer Raketen. Doch für viele Iraner ist es ein Tag wie jeder andere. "Das war doch kein richtiger Angriff", meint ein Safranverkäufer im wohlhabenden Norden Teherans, während er genüsslich an seinem Tee nippt. Herr Mussawi, 57, erzählt mit ruhiger Stimme von seinen 28 Monaten Dienst im Iran-Irak-Krieg. "Wir fürchten keinen großen Krieg", sagt er, und seine Augen blitzen kurz auf. "Iran wird auf jeden Fall reagieren."

Stundenlang hatte Israels Luftwaffe in der Nacht militärische Ziele im Iran bombardiert, ohne auf nennenswerte Gegenwehr zu stoßen. Die Operation unter dem Namen "Tage der Umkehr" war eine Vergeltung für den massiven iranischen Raketenangriff auf Israel Anfang Oktober. Seit Monaten schaukelt sich der Konflikt zwischen Iran und Israel weiter hoch und droht immer wieder zu einem großen, regionalen Krieg zu eskalieren.

Eine Bewohnerin eines östlichen Vororts von Teheran berichtet am Telefon von den nächtlichen Angriffen. "Die Fenster haben gezittert", erzählt sie, als Kampfjets über den Himmel donnerten. Es folgten laute dumpfe Explosionen mit Feuerblitzen in der Ferne. Nicht weit davon entfernt liegt auch ein hochsensibler militärischer Komplex in der Vorstadt Partschin. "Vielleicht haben sie dort angegriffen", sagt die Frau. Am Fenster zu stehen und zuzuschauen - "das war Stress".

Insider in Teheran berichtet über mögliche Reaktion

Irans Staatsmedien spielten den Angriff zunächst herunter, israelische Kampfflugzeuge seien nicht in den eigenen Luftraum eingedrungen. Der Schaden sei minimal, hieß es. Dahinter könnte sich laut Insidern der Wunsch der Staatsführung verbergen, diese Runde der Eskalation zunächst als abgeschlossen zu betrachten. "Ich persönlich glaube, dass jetzt erst einmal Propaganda-Rhetorik kommen wird, aber für den hiesigen Markt", sagt ein Experte.

Israel habe mit seinem Angriff auf den Rat der USA gehört, nicht die Ölindustrie und Nuklearanlagen zu bombardieren, erklärt der Insider, der mit dem Denken der Revolutionsgarden, Irans Elitestreitmacht, bestens vertraut ist. "Irans Außenminister hat während seiner Nahost-Tour ja betont, dass er keine Eskalation will. Daher sollten die Spannungen eigentlich erst einmal beendet sein." Theoretisch - denn das letzte Wort hat nicht die Regierung, sondern vielmehr die Revolutionsgarden und Religionsführer Ali Chamenei.

"Wenn die andere Seite stärker ist, sollte man sich zurückhalten"

Irans Gesellschaft ist Krisen längst gewohnt – die desolate Wirtschaftslage und die wiederkehrenden Proteste gegen die Regierung gehören seit Jahren zum Alltag. Wenig überraschend also, dass sich viele Bewohner der Hauptstadt trotz nächtlicher Bombardierungen am frühen Morgen bereits im Park zum Frühsport treffen. Andere erfuhren erst später davon. "Ich habe den Angriff letzte Nacht gar nicht bemerkt", sagt Kian, ein 20-jähriger Architekturstudent. "Ich habe keine Angst vor einem israelischen Angriff, weil ich weiß, dass ihre Ziele militärisch sind und nicht auf die Bevölkerung zielen."

Staus, Hupen und das übliche Verkehrschaos in Teheran – der Morgen unterscheidet sich nicht vom Alltag der Stadt. Auch die Schulen blieben geöffnet, und der Flugverkehr nahm wie gewohnt seinen Betrieb auf. Ironischerweise gewann sogar die iranische Währung Rial gegenüber dem Euro an Wert, nachdem sie wochenlang gefallen war. Ein Passant zuckt nur mit den Schultern, als er auf den Angriff angesprochen wird. Er, etwa Ende 50, war selbst bei der Armee. Was er davon hält? "Wenn die andere Seite stärker ist, sollte man sich zurückhalten."