Der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRK), Jan Egeland, wirft der internationalen Gemeinschaft vor, die dramatische humanitäre Krise im Sudan zu vernachlässigen. Dies sei "wirklich empörend", sagte der Leiter der Hilfsorganisation. Die humanitäre Krise im Sudan sei "größer als die (Krisen in der) Ukraine, Gaza und Somalia zusammen", sagte Egeland der Deutschen Presse-Agentur nach einer Reise, die ihn unter anderem ins westliche Darfur geführt hatte. 

Andere Konflikte wie in der Ukraine und im Nahen Osten dürften nicht den Blick auf das Leid der Menschen im Sudan verstellen: "Wenn wir uns alle einig sind, dass das menschliche Leben überall auf der Welt gleich viel wert ist, dann sollte der Sudan jetzt ganz oben auf unserer Liste stehen."

Mit Blick auf die angespannte Ernährungslage und die Hungersnot, die in Teilen des Landes ausgerufen wurde, sagte Egeland: "24 Millionen Menschenleben stehen auf dem Spiel. Wir erleben einen unerbittlichen Countdown hin zu Hungersnot, Verzweiflung und dem Zusammenbruch einer gesamten Zivilisation." 

Zerstörte Häuser und niedergebrannte Viertel

Egeland hatte vor Ort die Folgen des seit bald 600 Tagen andauernden Konflikts gesehen. "In vielen Gegenden, einschließlich denen, in denen wir gearbeitet haben, habe ich die Zeichen eines schrecklichen Krieges gesehen. Haus für Haus, Viertel für Viertel abgebrannt, geplündert und zerstört", sagte er.

Im Sudan herrscht seit April 2023 ein blutiger Machtkampf zwischen Machthaber Abdel Fattah al-Burhan und dessen früherem Stellvertreter Mohamed Hamdan Daglo. Mehr als elf Millionen Menschen sind innerhalb des Sudans und in den Nachbarländern auf der Flucht. Den Konfliktparteien werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, unter anderem ethnische Vertreibungen in der Region Darfur.

Egeland warnt: Sudan könnte Kern nächster Flüchtlingskrise sein 

Ohne eine Perspektive für die Menschen im Sudan könnten die Folgen auch in der EU spürbar werden, warnte Egeland: "Ich glaube, Europa hat noch immer nicht verstanden, dass sich ein weiterer Moment wie im Jahr 2015 anbahnt, in dem eine Million Menschen das Mittelmeer überqueren."