Gunnar, 47 Jahre alt, geboren in Freiberg und nun in Chemnitz lebend, ist ein Mensch, der auf den ersten Blick eine beeindruckende Präsenz hat - groß, kräftig und mit einer Aura, die Respekt einflößt. Doch hinter dieser harten Schale steckt ein weicher Kern. Er liebt seinen Beruf als Security und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Doch seine Tattoos erzählen von einer bewegten Vergangenheit, von Schmerz und der Suche nach Identität.
Eine Narbe als Zeichen
Sein erstes Tattoo ist eine Geschichte für sich - eine Jugendsünde, wie er es nennt. "Ich wollte eine Narbe überdecken, die ich mir selbst zugefügt habe", sagt Gunnar mit schüttelndem Kopf. Damals nahm er ein scharfes Küchenmesser, um sich dieselbe Narbe zuzufügen, die sein älterer Halbbruder trug. "Es war vielleicht eine Art Versuch, ihm näher zu sein, eine Verbindung zu schaffen." Diese Narbe und das Tattoo, das sie verdeckt, sind ein Symbol für eine Zeit der Selbstfindung.
Verlust und Erinnerung
Gunnar ist einer von vier Kindern - zwei Mädchen, zwei Jungen, darunter zwei Halbgeschwister. Die Familie wurde von einem tiefen Verlust geprägt, als Gunnars Vater sich das Leben nahm, als Gunnar erst neun Jahre alt war. "Das habe ich bis heute nicht richtig verarbeitet", gibt er offen zu. Vielleicht ist es auch deshalb, dass sein Lieblingstattoo das Porträt seines Vaters ist, das er auf seiner Wade trägt. Es zeigt den im Jahr 1949 geborenen Vater, ein Stück Vergangenheit, das Gunnar immer bei sich hat. "Eben weiche Schale, harter Kern", sagt er, eine Verbindung, die ihn tief berührt. Er wurde jedoch herzlich von seinem "Bonuspapa" mit großgezogen. Dieser sei Kinderpsychologe und auch Bürgermeister gewesen. "Er hat uns alle immer gleich behandelt, für ihn waren und sind wir "seine vier Kinder", sagt er stolz.
Eine Hommage an den Vater
Sein Geburtstag am 31. Dezember ist ein besonderer Tag. "Die erste Rakete ins neue Jahr widme ich immer meinem Vater", erzählt Gunnar mit einem Lächeln. Doch die Erinnerung trägt auch Schmerz. "Das Tattoo auf der Wade hat beim Stechen am meisten wehgetan", gesteht er. Eine Pause, eine Zigarette, Alkohol zur Desinfektion - all das machte das Weiterstechen fast unerträglich. Doch für Gunnar war dieser Schmerz ja vielleicht auch eine Art der Verbundenheit. "Eigentlich tut es an der Wade nicht weh. Es heißt, er habe oft gehört, das es an der Brust sehr schmerzen soll", sagt der 47-Jährige. Aber dort habe er selbst kaum etwas gespürt.
Wikinger und Runen - Ein Lebensmotto
Eine durchgehende Linie zieht sich durch all seine Tattoos: die Liebe zur Geschichte, zu den Wikingern und ihrer Kultur. "Ich habe als Kind immer Wickie geschaut und schaue es heute noch", sagt Gunnar lachend. Die Wikinger faszinieren ihn bis heute, genauso wie das Runen-Alphabet und die Zeit der Römer. Diese Faszination hat er in seine Haut eingebrannt. "Deshalb trage ich sie auf meiner Haut", sagt er stolz.
Seine Söhne - Immer bei sich
Auch seine Familie ist tief in seinen Tattoos verwurzelt. Seine drei Söhne - Pierre, Björn und Mike - sind in einem einheitlichen Schriftzug auf seinen Armen verewigt. Eine Erinnerung, ein Versprechen, sie immer bei sich zu tragen. "Die old englische Schrift mag ich", erzählt Gunnar. "Die kann nicht jeder auf den ersten Blick lesen, und das gefällt mir."
Ein Leben in Tattoos
Mittlerweile trägt Gunnar 11 Tattoos auf seiner Haut - jedes ein Teil seiner Geschichte. 2500 Euro hat er insgesamt investiert, aber für ihn ist es weit mehr als nur Geld. "Es ist meine Geschichte, meine Erinnerungen, meine Lieben, die ich mit mir trage", sagt er. Gunnar ist ein Mann, der seine Vergangenheit in Bildern erzählt, eine Vergangenheit, die ihn geformt hat und die er stolz auf seiner Haut trägt.
erschienen am 23.10.2024