Das Urgestein des ostdeutschen Seitenwagensports Kurt Schönherr wird am Samstag 90. Der Chemnitzer prägte in den 50er-Jahren den Motorsport entscheidend mit. Gemeinsam mit dem Seitenwagenfahrer Fritz Bagge, der bereits in der Vorkriegszeit erstmals bei Solorennen in Erscheinung trat, waren die beiden ein eingespieltes Team. Auch international kein unbeschriebenes Blatt, belegte das Duo bei der Weltmeisterschaft in Hockenheim im Jahr 1955 Platz 5. Vielversprechende Angebote auf eine Karriere im Westen lehnte der populäre Seitenwagensportler, an den in zahlreichen Fan-Briefen bis heute Autogrammwünsche gerichtet sind, jedoch immer ab. Dabei hatte es für die Teilnahme am allerersten Rennen des minderjährigen Heißsporns 1949 zunächst noch der Genehmigung der Mutter bedurft. Ein Trick verschaffte dem damals 17-Jährigen den Einstieg in den Motorsport. Im guten Glauben, es handele sich um ein Radrennen, da ihr Sohn zu dieser Zeit ständig mit seinem selbstgebauten Rennrad unterwegs war, genehmigte sie die Teilnahme. Damit nahm die Karriere ihren Lauf.
Erfolgreiche Karriere
An deren Ende erreichte Kurt Schönherr dreimal alles, was in dem Sport national zu erreichen war: Er wurde in der 500er-Klasse in den Jahren 1952, 1954 und 1955 DDR-Meister. "In den Anfangsjahren sind wir Rennen noch mit einem Pullover gefahren, erst später hatten wir Rennkombis. Das wäre heute undenkbar. Auf den Rennstrecken waren wir Rivalen, im Fahrerlager jedoch immer eine verschworene Gemeinschaft, Ost wie West", erinnerte sich Kurt Schönherr. Wenngleich die ostdeutschen Sportler fahrtechnisch Spitzenklasse waren, maschinell war man meist der westlichen Konkurrenz massiv unterlegen. Denn der technische Stand der Maschinen hinkte immer ein bis zwei Jahre hinter dem der westdeutschen Konkurrenz hinterher. "Die Westdeutschen konnten es sich leisten, langsam um die Kurven zu fahren. Sie brauchten nichts zu riskieren und konnten anschließend den Hahn wieder aufmachen - und waren fort. Während wir Ostdeutschen in den Kurven zu einer riskanten Fahrweise gezwungen waren. Dennoch bereue ich keine Minute meines Lebens. Auch heute würde ich mich wieder für diesen Sport entscheiden. Ich bin darin vollkommen aufgegangen", gab der Jubilar preis und fügte an: "Der Sport nahm auch während der Wintermonate viel Zeit in Anspruch. Da wurde an der Technik getüftelt. Um erfolgreich zu sein, haben wir jede freie Minute in der Werkstatt am Gespann hantiert. Genauer gesagt waren es zwei Gespanne, die in Schuss gehalten werden mussten. Doch in der 750er-Klasse sind wir oft ausgefallen, wir haben zwar gute Plätze erreicht und wurden einmal 1952 DDR-Vize-Meister. Aber weil wir nicht immer ins Ziel kamen, haben uns am Ende die entscheidenden Punkte gefehlt. Daher haben wir uns die letzten drei Jahre bis zum Karriere-Ende auf die 500er-Klasse beschränkt. Denn es fehlte uns an qualitativ gutem Material."
Karrierende
Das Ende der Laufbahn des Seitenwagenfahrers besiegelte indirekt der Umstand, dass sein Teamkollege Fritz Bagge irgendwann von einem Besuch bei Verwandten im westdeutschen Hannover nicht mehr in die DDR zurückkehrte. "Ich bekam anschließend Angebote anderer namhafter Fahrer. Doch für mich stand fest, dass ich nur mit Fritz fahre und niemand anderem", so Kurt Schönherr.
erschienen am 18.02.2023