Schüsse im Rabensteiner Wald… Was war passiert? Am Freitagvormittag meldeten Spaziergänger, dass dutzende Schüsse im Rabensteiner Wald in ihrer unmittelbaren Nähe abgefeuert wurden. Mehrere Jäger machten Jagd auf Wildbestände, was für die Spaziergänger merkwürdig erschien, weil Jagden sonst immer in den frühen Morgenstunden oder am späten Abend vollzogen werden. Im Chemnitzer Forstamt war am Freitagvormittag/-mittag niemand erreichbar (Update: Am Freitagabend äußerte sich das Forstamt, siehe unten). Daher fragte BLICK bei der Polizei Chemnitz nach. Wie die Polizei mitteilte, war die Jagd genehmigt und "wurde den zuständigen Behörden angezeigt". Außerdem wurden, nach Aussage der Polizei, auch Schilder aufgestellt, um Passanten zu informieren. Doch war dies wirklich so?
Eine Zeugin berichtet
Was nach einem normalen Tag im Leben eines Jägers klingt, kann für unwissende Passanten zum Horror werden. Die Spaziergängerin Frizzi Arnold schilderte BLICK ihre Erfahrung. Sie selbst war mit ihren beiden Hunden bei bestem Wetter im Waldgebiet in der Nähe des Totensteins am Vormittag spazieren, da sie in unmittelbarer Nähe zum Wald wohnt. "Nach etwa eineinhalb Kilometern auf dem Hauptweg im Rabensteiner Wald habe ich die ersten Schüsse fallen hören. Diese waren unweit von mir entfernt. Nachfolgend kam das erste aufgescheuchte Wild panisch quer über den Waldweg gesprungen, gefolgt von Hunden, die zwar alle Schutzwesten trugen und Glocken, aber unkontrolliert alles verfolgten, was ihnen in den Weg kam." Weiter schildert sie: "Ich bin dann vom Hauptweg abgekommen, in der Hoffnung etwas Ruhe zu finden, doch die Jagdhunde haben permanent unsere Wege gekreuzt, die Schüsse fielen weiter und ich musste mich von den Jägern und Jägerinnen beschimpfen lassen, nachdem ich diese aufgefordert habe, deren Hunde zu sich zu rufen. Ein Jogger kam auf mich zu und hat mir gesagt, dass es das Beste wäre, den Wald sofort zu verlassen, dass auch er große Angst habe."
Mehrere Spaziergänger waren verängstigt
Nach Aussagen der Zeugin seien auch weitere Menschen im Wald gewesen: "Bei meinem Weg aus dem Wald heraus lief mir eine junge Mutti mit ihrem Kind, einem kleinen Mädchen, entgegen. Beide haben vor Angst geschrien und waren kurzzeitig auch von Hunden umzingelt. Überall auf den Wegen waren Blutspuren von verletztem Wild und vermutlich auch den Hunden." Arnold habe noch im Wald die Polizei und das Ordnungsamt der Stadt Chemnitz verständigt. Die Polizei meinte nach Aussage der Zeugin, es werde schon nichts passieren, wenn sie sich auf dem Hauptweg aufhalten würde. Das Ordnungsamt habe sie abgewimmelt, da der Wald dem Land und nicht der Stadt unterliege.
"Ich hatte Todesangst"
Entgegen der Aussage der Polizei meinte die Spaziergängerin, dass es nirgends Hinweisschilder gegeben habe. "Das weiß ich, weil ich direkt nachdem ich es endlich aus dem Wald geschafft habe, alle Zufahrten zum Wald angefahren bin und es nirgendwo auch nur einen Hinweis gegeben hat." Sie wirkte auf den Videos, die sie online teilte und die wir unten verlinkt haben, sehr verängstigt. "Ich hatte wirklich Todesangst. Und ich bin mir sicher, dass es nicht nur mir so erging. Auf dem Weg aus dem Wald hat sich eine junge Frau zu mir und den Hunden gestellt, die nicht alleine weiter laufen wollte, weil sie solche Angst hatte. Was hier am heutigen Tag passiert ist, ist unverantwortlich. Ich werde eine Anzeige wegen der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit stellen."
Update 17.1. 10 Uhr: Statement des Forstbezirks
Am Wochenende erreichte Blick die Stellungnahme des Forstbezirks, welcher sich sehr verantwortungsbewusst dazu äußerte und noch einmal näher die Arbeit der Förster und Jäger einging. Bezirksleiter Bernd Ranft bestätigte die Aussage der Polizei, dass die Jagd "bewusst an diesem Wochenende geplant" gewesen sei. "Die Durchführung von Ansitz-Drückjagden ist ein Bestandteil unserer betrieblichen Aufgaben. Im Territorium des Forstbezirkes veranstalten wir im Zeitraum November bis Januar insgesamt etwa 20 solcher Jagden in unterschiedlicher Größenordnung. Dabei unterliegt die Ausführung umfangreichen Sicherheitsanforderungen, die eine Gefährdung Unbeteiligter ausschließen soll. Dazu gehört beispielsweise, dass alle Jäger auf erhöhten Ansitzeinrichtungen postiert sind, was eine Gefährdung für das Umland bei der Schussabgabe verhindert, für jeden Jäger detaillierte Gefährdungsbeurteilungen und Einweisungen erfolgen und ein Beschilderungskonzept vorliegt. [...] In den meisten Fällen bejagen wir ein Waldgebiet einmal je Drückjagdsaison. In diesem Winter stehen noch Jagden im Raum Mittweida und Stollberg aus." Bislang können Interessierte online somit keine Jagdtermine einsehen. Bei solchen Jagden werden an den Revieren am Jagdtag entsprechende Hinweise angebracht. "Warum auf dem Video ein derartiger Hinweis nicht zu sehen ist, kann ich nach derzeitigem Stand nicht beantworten, das wird Teil unserer Aufarbeitung sein", so Forstbezirksleiter Bernd Ranft. Er versicherte, dass dieser Vorfall geprüft werde und bereits Kontakt mit Frau Arnold und den Hundeführern des Tages besteht.
"Für die Jagd gibt es keine prinzipiellen zeitlichen Einschränkungen. Während in den Früh- und Abendstunden meist die Einzeljagd (Ansitzjagd) ausgeführt wird, sind Ansitz- Drückjagden im Winterhalbjahr in dieser Form üblich und mittlerweile unverzichtbar. Eine kurzzeitige, konzentrierte Beunruhigung des Wildes, die Jagd dauert i.d.R. zwei Stunden, verursacht weniger Stress als ein permanentes Nachstellen zu allen Tages- und Nachtzeiten. Für bestimmte Wildarten existieren behördlich genehmigte Abschusspläne (beispielsweise Rotwild), Schwarzwild und Rehwild werden ohne Abschussplan bejagt. Hier ist die Frage der Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen, an ökologischen Grundsätzen orientierten Land- oder Forstwirtschaft (je nach Wildart) ein Kriterium für die Intensität der Bejagung. Im Forst werde dazu regelmäßig Verbisserhebungen an Forstkulturen und Stichprobeninventuren durchgeführt."
erschienen am 14.01.2022