Am Freitag, dem 24. Februar, jährt sich der russische Überfall auf die Ukraine zum ersten Mal. Migrationsforscherin Birgit Glorius von der TU Chemnitz prognostizierte bereits kurz nach Kriegsbeginn zehn Millionen ukrainische Flüchtlinge. Ein Jahr später hat sich die Vorhersage bewahrheitet: Die neuesten Zahlen des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen dokumentieren acht Millionen registrierte Flüchtlinge aus der Ukraine innerhalb Europas sowie 5,3 Millionen Binnenflüchtlinge innerhalb des Landes.
Verspätete Probleme bei der Unterbringung
Bemerkenswert sei, dass ein Großteil der Flüchtlinge aus der Ukraine privat untergekommen ist. "Das ist nicht nur für Deutschland dokumentiert, sondern beispielsweise auch für Polen. Möglich wurde dies durch den besonderen Schutzstatus, den die EU für die Menschen aus der Ukraine ermöglicht, so dass sie nicht das Asylverfahren durchlaufen müssen und mehr Freiheiten bei der Wahl ihres Zielortes sowie unmittelbaren Anspruch auf Sozialleistungen und Zugang zum Arbeitsmarkt haben", erklärt Birgit Glorius im Interview mit TUCaktuell. Viele der privaten Angebote waren jedoch vorübergehend und eigneten sich nicht als Dauerlösung. "Und so kommt die Unterbringungskrise zwar verspätet, aber jetzt doch in den Kommunen an", so die Inhaberin der Professur Humangeographie mit dem Schwerpunkt Europäische Migrationsforschung.
Ein Teil lässt sich dauerhaft nieder
Absehbare Rückkehrmöglichkeiten stellen sich für die Expertin in Abhängigkeit des Kriegsverlaufs dar. Maßgeblich seien dabei die Dauer des Krieges, das Ausmaß der Zerstörung sowie die Qualität einer Friedensvereinbarung. "Was wir derzeit sehen, ist die Abwesenheit einer schnellen Friedenslösung und eine unfassbar massive Zerstörung der zivilen Infrastruktur, was als Nebeneffekt einen hohen ökonomischen Leidensdruck mit sich bringt. Vor diesem Hintergrund müssen wir mit einer dauerhaften Niederlassung eines Teils der ukrainischen Geflüchteten in Deutschland rechnen, gefolgt vom Nachzug von Familienangehörigen." Weiterhin müssten die Deutschen mit einem anhaltend hohen Anteil an zirkulärer Migration rechnen, das heißt Ukrainerinnen und Ukrainer, die beispielsweise von ihrem deutschen Wohnsitz aus regelmäßig in die Ukraine pendeln, um dort Familienangehörige zu treffen oder um sich eines Tages am Wiederaufbau zu beteiligen.