Forscherinnen und Forscher der Professur Optik und Photonik kondensierter Materie der Technischen Universität Chemnitz und weiterer Partnerinstitutionen arbeiten derzeit gemeinsam intensiv an Solarzellen aus neuartigen organischen Halbleitern, die mit etablierten Druckverfahren oder effizienten thermischen Aufdampfverfahren hergestellt werden können. Um diese Klasse von photovoltaischen Bauelementen grundlegend zu verstehen und weiterzuentwickeln, verfolgen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen stark interdisziplinären Ansatz und kooperieren im Rahmen der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsgruppe "Gedruckte & stabile organische Photovoltaik mit Nicht-Fullerenakzeptoren - POPULAR" und des von der Europäischen Union finanzierten Marie-Skłodowska-Curie-Promotionsnetzwerks EIFFEL. Hier wird die Expertise aus der Chemie und den Materialwissenschaften sowie der Physik und Mathematik mit der Drucktechnik zusammengebracht. "Im Hinblick auf die Entwicklung ressourceneffizienter erneuerbarer Energien ist die Relevanz der Forschung an organischer Photovoltaik, die mit hohem Durchsatz bei Raumtemperatur verarbeitet werden kann, sehr hoch", so Deibel, Sprecher der Forschungsgruppe POPULAR. "Organische Halbleiter sind sehr gute Lichtabsorber, sodass die lichtabsorbierende Schicht in Solarzellen um den Faktor 1.000 dünner ist als bei kristallinen Silizium-Solarzellen", sagt der Chemnitzer Physikprofessor. Im Gegensatz zu letzteren seien organische Solarzellen jedoch nicht hochgeordnet, sondern ungeordnet. "Für den Transport der Elektronen und Löcher, die in organischen Halbleitern durch das Sonnenlicht erzeugt werden, bedeutet das, dass sie sich nicht auf einer Autobahn bewegen, sondern auf einer holprigen Straße mit vielen Fallen, die Elektronen oder Löcher einfangen und zu einem langsameren, aber nicht geringeren Stromfluss führen", erläutert Deibel. Eine Möglichkeit, diese energetische Landschaft zu beschreiben, sei die Zustandsdichte.
Verblüffende Erkenntnis: Potenzgesetz beschreibt die Zustandsdichte organischer Solarzellen
Um den Ladungstransport in organischen Solarzellen besser zu verstehen, haben der Leiter Prof. Dr. Carsten Deibel und seine Wissenschaftliche Mitarbeiterin Maria Saladina gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Nürnberg-Erlangen, des Helmholtz-Instituts Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien und der Heliatek GmbH in Dresden verschiedene Typen organischer Solarzellen hergestellt, analysiert und dabei erstmals die "elektronische Defektlandschaft" aufgedeckt. Dies ist das Ergebnis empfindlicher Messungen der Leerlaufspannung der organischen Solarzellen - also der Spannung, die erzeugt wird, wenn kein Strom fließt, und die ein Maß dafür ist, wie viel Energie die photogenerierten Elektronen und Löcher haben. Die Messungen erfolgten unter einem breiten Spektrum von Lichtintensitäten und Temperaturen. Die Auswertung der Daten ergab, dass die Zustandsdichte der organischen Solarzellen eine Form hat, die nicht - wie bisher angenommen - durch eine Gauß- oder Exponentialverteilung beschrieben werden kann, sondern durch ein Potenzgesetz. "Das bedeutet, dass im Gegensatz zu älteren Modellen kleinere Leerlaufspannungen in den Solarzellen in einem energetischen Bereich liegen, in dem es mehr Fallen gibt. Erfreulicherweise ist unter Arbeitsbedingungen organischer Solarzellen bei Raumtemperatur unter Sonnenlichteinstrahlung die Leerlaufspannung höher und die Zustandsdichte enthält dort weniger Fallen", so Saladina. Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift "Physical Review Letters" 130, 236403 (2023) veröffentlicht.
erschienen am 12.06.2023