Chemnitz. Welche Langzeitfolgen verursacht COVID-19 mit Blick auf die biopsychosoziale Gesundheit sowie Arbeitsfähigkeit von Patientinnen und Patienten und welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die medizinische Versorgung?
Forschung zu Langzeitfolgen von Covid 19
Dies waren zentrale Fragen eines Forschungsprojektes, das an der Professur Sozialwissenschaftliche Perspektiven von Sport, Bewegung und Gesundheitsförderung (Leiter: Prof. Dr. Torsten Schlesinger) der Technischen Universität Chemnitz zwischen Mai 2021 und Januar 2024 durchgeführt wurde. Das Projekt wurde von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e. V. finanziert. Die Datenerhebung erfolgte in Kooperation mit der BG Klinik für Berufskrankheiten in Bad Reichenhall.
Langzeitstudie mit 127 Patienten
Insgesamt wurden 127 post-COVID Patientinnen und Patienten in die Studie zu Beginn und zum Ende der Rehabilitation sowie sechs und zwölf Monate nach der Rehabilitation eingeschlossen, die sich nachweislich während ihrer beruflichen Tätigkeit mit SARS-CoV-2 infizierten. Zu jedem dieser vier Messzeitpunkte wurde die fortbestehende post-COVID Symptomatik erfasst. Außerdem erfolgte ein umfangreiches Assessment zur Beurteilung der körperlichen Belastbarkeit und Aktivität, der psychischen und kognitiven Gesundheit sowie der Arbeitsfähigkeit. Mittlerweile wurden wichtige Projektergebnisse, die den komplexen und diversen Verlauf von post-COVID widerspiegeln, in verschiedenen Open-Access Journals veröffentlicht.
Starke Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit
In einer ersten Veröffentlichung im "International Journal of Environmental Research and Public Health" wurden verschiedene Gesundheitsparameter der post-COVID Patienten und Patientinnen vor und nach der stationären Rehabilitation analysiert. Dabei berichteten diese nach der Rehabilitation von einer Verringerung aller post-COVID-Symptome, mit Ausnahme von Fatigue. Darunter versteht man in der Medizin anhaltende Müdigkeit und fehlender Antrieb, sodass der normale Alltag nur schwer zu bewältigen ist. Signifikante Verbesserungen wurden in der körperlichen Leistungsfähigkeit und neuropsychologischen Gesundheit nachgewiesen. Allerdings war die Arbeitsfähigkeit vieler Probanden und Probandinnen auch nach der Rehabilitation weiterhin stark eingeschränkt.
Schlechte Schlafqualität
Um Aufschluss über das Aktivitäts- und Schlafverhalten bei post-COVID zu erhalten, wurden vor und nach der Rehabilitation für eine Woche (24h/Tag) Daten mittels eines Bewegungssensors erhoben. Die Analyse zeigte, dass sowohl vor als auch nach der Rehabilitation ein hohes Maß an Inaktivität und eine schlechte Schlafqualität innerhalb der untersuchten Stichprobe vorliegt. Hinsichtlich des Geschlechts, des Alters und Vorerkrankungen ergaben sich Unterschiede im Aktivitätsverhalten und der Schlafqualität.
In einer erst kürzlich veröffentlichten Publikation im "Journal of Clinical Medicine" wurden die langfristigen Auswirkungen auf die physische Gesundheit der Patienten und Patientinnen sechs und zwölf Monate nach der stationären Rehabilitation untersucht. Die Ergebnisse zeigten zwar signifikante Verbesserungen in Ausdauer, Muskelkraft, Gleichgewicht und der subjektiven Einschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit.
post-Covid-Symptome
Trotz dieser positiven Entwicklungen litten aber viele Patientinnen und Patienten weiterhin unter anhaltenden post-COVID-Symptomen wie Belastungsintoleranz, neurologischen Beschwerden oder Fatigue. Die Studie identifizierte Unterschiede in Gesundheitsparametern in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, Schweregrad der Akutinfektion und Vorhandensein bestimmter Vorerkrankungen.
Viele Faktoren für erfolgreiche Wiedereingliederung in Arbeitsprozess
Eine weitere Untersuchung, die außerhalb des Projekts entstanden ist, wurde kürzlich im "Journal BMC Public Health" veröffentlicht. Dieses systematische Review mit Meta-Analyse umfasste 19 Studien mit über 20.000 Patienten und Patientinnen und untersuchte die Auswirkungen von post-COVID auf die Arbeitsfähigkeit und die Rückkehr zur Arbeit (RTW). Die Ergebnisse belegten, dass ein erheblicher Teil der Betroffenen unter anhaltenden Symptomen wie Fatigue leidet. 60,9% der post-COVID Patient:innen konnten zwölf oder mehr Wochen nach der SARS-CoV-2-Infektion erfolgreich in den Beruf zurückkehren. Das Review verdeutlichte, dass Umweltfaktoren sowie strukturelle wie die Verfügbarkeit von Arbeitsplatzanpassungen, unterstützende Richtlinien und berufliche Rehabilitationsprogramme eine entscheidende Rolle bei der erfolgreichen Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess spielen.
Nachsorge auch nach der Rehabilitation ist notwendig
Die bisherigen Erkenntnisse aus den Forschungsarbeiten an der Professur Sozialwissenschaftliche Perspektiven von Sport, Bewegung und Gesundheitsförderung der TU Chemnitz verdeutlichen die anhaltenden Herausforderungen bei der Versorgung von post-COVID Patienten und Patientinnen. Eine kontinuierliche und individuelle Unterstützung nach der Rehabilitation im Sinne der Nachsorge ist notwendig, um eine vollständige Genesung der Betroffenen anzustreben. Vor allem hinsichtlich der Reduzierung psychischer Symptome und der Fatigue-Symptomatik sowie der Optimierung der Arbeitsfähigkeit und damit der Wiederherstellung von sozialer und beruflicher Teilhabe benötigt es nachhaltige, adäquate Nachsorgestrategien - zum Beispiel auch mittels digitaler Versorgung - und Unterstützungsprogramme. Hierzu ist aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weitere Forschung dringend notwendig.
Meistgelesen
- 1.
Mehrere PKW im Straßengraben gelandet: Unfälle nach Schnee und Glätte im Erzgebirge
- 2.
Abriss nach Scheunenbrand in Gersdorf: THW und Feuerwehr weiter am Einsatzort
- 3.
27-jähriger Fußgänger von Bahn erfasst: Einschränkungen im Schienenverkehr
- 4.
Rentner rammt beim Ausparken drei PKW: Frau zwischen Fahrzeugen eingeklemmt
- 5.
Polizeieinsatz in Leipziger Mehrfamilienhaus: Eine Person tot