Die radbegeisterten Gäste der Podiumsdiskussion #MehrPlatzFürs Fahrrad - mit wem geht das nach der Stadtratswahl?" in der Jugendherberge Chemnitz "eins" erhofften sich klare Ziele für den Chemnitzer Radverkehr in den nächsten Jahren. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) Chemnitz hatte dazu eingeladen, mit den Stadtratskandidaten Heiko Schinkitz (DIE LINKE), Toni Rotter (Piraten), Jörg Vieweg (SPD), Bernhard Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen), Falk Ulbrich (CDU Chemnitz) und Lutz Gläser (FDP Chemnitz) sowie Ralph Sonntag vom ADFC Chemnitz und Konrad Krause vom ADFC Sachsen zu debattieren. Hauptaugenmerk legte man dabei auf die aktuellen Ergebnisse des Fahrradklimatests, bei dem Chemnitz nur mit einer Note von 3,97 abgeschnitten hatte. An dem Test hatten 170.000 Teilnehmer aus 683 Städten teilgenommen, Chemnitz landete auf Platz 374. Einer der Hauptkritikpunkte Ergebnisse ließ aufhorchen: 72 Prozent der Teilnehmer fühlen sich in der Stadt unsicher beim Radfahren.
"Radnetz ist pures Stückwerk"
Auf die Frage, was die größten Probleme für Alltagsradfahrer in der Stadt seien, äußerte sich Bernhard Herrmann. "Wir bauen hier immer mehr große Trassen, die auch mehr Autos anziehen und in die Stadt hineinleiten. Wir müssen auch im Sinne des Klimaschutzes anfangen, die Verkehrsräume anders aufzuteilen und den Stadtverkehr entschleunigen", unterstrich er und wünsche sich unter anderem mehr Wegweisungen für Radwege und radfahrerfreundliche Kreuzungen. Er kritisierte wie alle Teilnehmer das Fehlen eines eindeutigen Radverkehrsnetz vor allem in der Innenstadt.
Der passionierte Radfahrer Heiko Schinkitz pflichtete bei: "Das Verkehrskonzept sollte zukünftig Mobilitätskonzept heißen, Ziel muss eine Verkehrswende sein. Die Radverkehrskonzeption von 2012 sollte noch intensiver zur Umsetzung kommen", sagte er. Das ausgegebene Ziel, den Anteil der Radfahrer unter allen Verkehrsteilnehmern auf zwölf Prozent zu erhöhen, sei klar verfehlt worden. Falk Ulbrich führte die Ausführungen fort. "Wir sind in der Stadt personell unterbesetzt mit 1,5 Stellen. Man kann viel planen, aber man braucht Geld, um das Ganze auch umsetzen können" so der CDU-Stadtrat. Man habe kein Netz geschaffen, sondern nur Linien aufgemalt, wo es gerade passend war", Dem pflichtete auch Hannelore Meinhold aus dem Publikum bei. "Ich fahre so oft es geht mit dem Rad, auch durch die Stadt. "Ich frage, mich, wer die Radwege in Chemnitz anlegt. Das ist pures Stückwerk. Ein Beispiel ist die Zschopauer Straße, wo ich oft unterwegs bin", kritisierte die 79-Jährige und schlug klare Markierungen und Piktogramme, die auch Warnzeichen für PKW-Fahrer darstellen, vor. "Ich werde dennoch das Auto in der Stadt meiden", fügte die Rentnerin hinzu.
Forderung: Mehr Personal und mehr Geld
Was kann der zukünftige Stadtrat dafür tun, um die schlechte Note beim Fahrradklima-Test und somit das Wohlfühlgefühl für Chemnitzer Radfahrer zu verbessern? Jörg Vieweg schlägt vor: "Die Straße muss für Alle da sein, also gleichberechtigt für Auto- und Radfahrradfahrer. Wichtig ist, dass die Radverkehrsplanung auf Augenhöhe mit der Straßenplanung geschieht", betont der Landtagsabgeordnete. Bernhard Herrmann plädiert für eindeutig zugewiesene Gelder für den Ausbau des Radnetzes. "Wir sind verschuldet in der Infrastruktur aber nicht auf dem Konto", fügt er hinzu. Konkret machte Falk Ulbrich den Vorschlag, den Investitionsrückstau mit 1 bis 1,5 Millionen in die Umsetzung der Radverkehrskonzeption abzubauen. "Wir müssen dringend die Personalsituation verbessern und die Versäumnisse in der Haushaltspolitik aufholen. Andere Großstädte haben teilweise sechs bis acht Radverantwortliche", sagte Ulbrich.
Auch aktuelle Sicherheitsrisiken und Unattraktivitäten im aktuellen Radwegenetz müssten beseitigt werden, betont Lutz Gläser. "Ich denke da besonders an die Zwickauer Straße oder die undurchsichtige Situation am Stefan-Heym-Platz. Es schreckt Radfahrer eher ab", so der FDP-Stadtratskandidat. Visionär und in die Zukunft schauend, äußerte Toni Rotter, der für die Wählervereinigung Chemnitz für Alle kandidiert. "Ich bin für 30 Prozent Radfahrer im Jahr 2030. Bis dahin müssen wir die Innenstadt attraktiv mit sinnvoll kreuzbaren Radwegen, Ladestation für E-Bikes aufstellen und ein geschlossenes Radwegenetz schaffen".
erschienen am 08.05.2019