Udo Hermsdorf hält einen großen Ordner in den Händen. Er stöbert nostalgisch in alten Zeitungsartikeln aus den 90er Jahren, die seine Eltern akribisch gesammelt haben. Zeitungsartikel über den Telefonshop Hermsdorf, der ursprünglich gar nichts mit Telekommunikation am Hut hatte. "Anfangs führten meine Eltern ein Fachgeschäft für Autoradios", beginnt er zu erzählen. "Autoradios gehörten damals - anders als heute - nicht unbedingt von Beginn an zum Interieur. Darum kümmerten sich ab 1992 meine Eltern - vom Einkauf bis zum Einbau. Später baute mein Vater auch Freisprechanlagen ein. Der Weg zum Fachgeschäft für Telekommunikation war also fließend", erinnert sich Udo Hermsdorf, der eigentlich eine Ausbildung zum Landmaschinen- und Traktorenschlosser absolvierte, 2010 aber ins elterliche Geschäft einstieg.
Ein eingespieltes Team
2013 übernahm er den Telefonshop Hermsdorf, seine Ehefrau Olga war zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren mit im Boot. Seit 23 Jahren lebt die gebürtige Ukrainerin in Deutschland, vor 22 Jahren gaben sich die Hermsdorfs dann das Ja-Wort. "Wir haben uns gesucht und gefunden. Wir ergänzen uns hervorragend - auch im Laden", sagt Olga Hermsdorf. Ihr Erfolgsrezept: "Wir verkaufen keinen Schnickschnack, sondern auf die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden zugeschnittene Mobilfunktarife. Aus mehr als 700 Tarifen der Mobilfunkanbieter finden sie für alle Kunden den passenden. Darüber hinaus setzen sie vor allem auf Service: "Egal ob E-Mail, Google-Konto, Apple-ID oder diverse Apps - wir richten je nach Wunsch das Handy so weit ein, dass man ohne weiteres gleich damit loslegen kann. Auch das Überspielen von Kontakten und Fotos auf ein neues Gerät ist kein Problem. Vor der Pandemie haben wir außerdem Smartphone-Schulungen angeboten. Damit wollen wir bald wieder anfangen." So machen die Hermsdorfs genau dort weiter, wo die meisten Telefonshops aufhören.
Erster Ansprechpartner für Geschäftskunden
"Wir arbeiten kundenorientiert - das ist unser Problem", schmunzelt Udo Hermsdorf, der genau aufgrund dieses Service-Charakters für viele Geschäftskunden der erste Ansprechpartner ist. "Einem Unternehmen mit mehreren Telefongeräten und Nummern würden Neueinrichtungen oder Updates jede Menge Zeit rauben. Hier kommen wir ins Spiel." Dass Kunden sogar die Lieblingsschokolade des Inhabers kennen, spricht Bände über das Vertrauensverhältnis und die gegenseitige Wertschätzung. Natürlich profitiert die Kundschaft nicht nur von maßgeschneiderten Tarifen und umfangreichen Service-Angeboten. Vom Smartphone bis zum Zubehör kann im Telefonshop alles bestellt werden. Die Unterschiede der Smartphone-Hersteller seien mittlerweile marginal. "Alle Geräte funktionieren einwandfrei. Heutzutage achten Kunden übrigens weniger auf Leistung als vielmehr auf die eingebaute Kamera und einen großen Speicherplatz." Sollte doch mal eine Reparatur anstehen, stellt der Telefonshop Hermsdorf gerne auch Kontakt zu den jeweiligen Spezialisten her.
Seit 30 Jahren am selben Standort
Auch wenn sich der Telefonshop Hermsdorf über die vergangenen 30 Jahre vom Spezialisten für Autoradios zum Mobilfunkexperten gewandelt hat, ist eines geblieben: "Wir sind seit drei Jahrzehnten am selben Standort zu finden. Hier an der Aue 11 haben wir die perfekten Bedingungen: zentrumsnah und mit Parkplätzen direkt vor dem Haus. Das ist im Innenstadtbereich ja nicht mehr selbstverständlich", wissen Olga und Hermsdorf, die ihre Öffnungszeiten nicht nur pandemiebedingt angepasst haben. "Wir stehen wochentags für unsere Kunden bis 16 Uhr zur Verfügung. Danach geht's meistens in die Halle zum Sortieren von Spenden." Denn Olga Hermsdorf hat in den letzten Wochen ein Spendenprojekt auf die Beine gestellt, das seinesgleichen sucht.
Transparente Hilfe für die Ukraine
Die Unterstützung sei ungebrochen, freut sich Olga Hermsdorf, die innerhalb wenigen Tage nach Kriegsbeginn via Facebook die erste Spendenlieferung mit Sachgütern an die polnisch-ukrainische Grenze organisierte. Mittlerweile kommen die Spendenpakete aus allen Ecken Deutschlands und sogar aus anderen EU-Ländern. Dass die Hilfsaktion so groß werden würde, hätte sie im Traum nicht für möglich gehalten. Aber Olga Hermsdorf ahnt, warum sie mittlerweile so viele Unterstützer hat: "Ich glaube, es liegt an der Transparenz. Ich halte die Menschen per Facebook auf dem Laufenden. Viele erkennen ihre Spenden auf Videos und Fotos aus der Ukraine wieder. Sie wissen, ihre Hilfe kommt an." Vergangene Woche begleitete sie bereits die fünfte Fuhre nach Polen.
"Ich habe erst angefangen"
An der polnischen Grenze werden die Sachgüter mit einem eingespielten Team in ein anderes Fahrzeug umgelagert. Hier endet jedes Mal die Reise für Olga Hermsdorf: "Ich würde ja auch bis in die Ukraine liefern. Aber mein Mann ist damit nicht einverstanden", sagt Olga Hermsdorf fast entschuldigend. Die Einwände ihres Mannes, sie habe auch Sohn und Enkelkind, könne sie jedoch verstehen. Nichtsdestotrotz schmerzen die Bilder, die sie von Wegbegleitern aus der Ukraine geschickt bekommt. So gerne würde sie vor Ort in ihrem Heimatland mit helfen. "Dort geht es nicht, deshalb tue ich hier, was ich kann und unterstütze so die Binnenflüchtlinge innerhalb der Ukraine." Es gebe im Westen des Landes kaum ein Hotelzimmer, das nicht von Geflüchteten bewohnt wird. Sechsköpfige Familien müssten in 1-Raum-Wohnungen leben. Mittlerweile mangelt es vor allem an medizinischer Versorgung. Olga Hermsdorf und ihre Helfer versuchen, diese Lücke bestmöglich zu schließen. "Ich habe erst angefangen", sagt sie entschlossen. "Ein Verein ist in Gründung: der Freunde der Ukraine e.V.".
erschienen am 27.04.2022