Das hat selbst die kühnsten Erwartungen der Organisatoren übertroffen. Etwa 400 Mitarbeiter der ehemaligen "Germania" kamen am heutigen Samstag (1. Juli) zu einem Treffen auf dem Gelände des TSV Germania 08 an der Annaberger Straße. Das ist umso beachtlicher, wenn man bedenkt, dass es den einstigen Großbetrieb schon lange nicht mehr gibt.
Eine "ungeheure Summe" investiert
"Germania" sei eben nicht nur ein Name, sondern ein Glaube - ein Glaube an die Gemeinschaft und den Zusammenhalt", freute sich Hermann Ranft, der die Idee zu diesem großen Treffen hatte. Einer der ehemaligen "Germanen" ist Klaus Pörnig. Er war in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre als Invest-Leiter maßgeblich an dem Bau des "Germania"-Standortes an der Schulstraße beteiligt. "In diesem Standort wurden 70 Millionen DDR-Mark investiert. Das war in damaliger Zeit eine ungeheure Summe", erzählt Pörnig, der bis 1990 bei der "Germania" arbeitete und danach noch etwa 20 Jahre als Freiberufler Gutachten für Immobilien erstellte. Bei Treffen ehemaliger "Germania"-Kollegen ist er stets gern dabei. Zu bedauern sei nur eines: "Das ehemalige Verwaltungsgebäude und das Speisesaalgebäude an der Schulstraße stehen seit Jahren leer und verrotten", sagt er. Das sei jammerschade.
Treffen mit viel Herzblut vorbreitet
Fritz Stengel, einer der Mitorganisatoren des Treffens, hat beim Empfang der Gäste alle Hände voll zu tun. "Ursprünglich hatten wir mit 325 Gästen gerechnet. Jetzt sind es mehr als 350 geworden", freut sich der Grünaer. Dies sei ein schöner Lohn für Hermann Ranft, der erstmals ein so großes Treffen angeregt und dieses mit viel Herzblut vorbereitet habe. Neben dem Teamgeist und dem Zusammenhalt der ehemaligen Kollegen bot nicht zuletzt das 150-jährige Jubiläum der "Germania"-Gründung einen triftigen Grund, in so großer Runde zu feiern, so Stengel.
Neben vielen Gesprächen, dem Austausch von Erinnerungen und natürlich immer wieder der Freude, einen lange nicht getroffenen Arbeitskollegen wiederzusehen, bot eine liebevoll gestaltete Ausstellung in der Turnhalle anhand vieler Zeitungsartikel einen Überblick über die Entwicklung der einstigen "Germania".
Für Sportverein ein großes Vorbild
Thomas Mix ist der Vorsitzende der TSV Germania. Der Sportverein, der den Namen "Germania" weiter in die Zukunft trägt, hat 312 Mitglieder, die vor allem im Bereich Fußball, aber auch im Tischtennis und der Gymnastik aktiv sind. Mix erinnerte bei dem Treffen an ein besonderes sportliches Ereignis: "Auf den Tag genau vor 50 Jahren sind die 'Germania'-Fußballer in die DDR-Liga aufgestiegen, die zweithöchste Spielklasse in der DDR - der sportlich größte Erfolg der Germania."
Für die Sportler des Vereins sei das Treffen der ehemaligen "Germania"-Mitarbeiter ein ganz großes Ereignis. "Wenn wir sehen, welche Gemeinschaft sich unter den 'Germania'-Mitarbeitern einst entwickelt hat und wie diese heute noch gepflegt wird, so ist das ein ganz großes Vorbild. Ein solches Miteinander streben wir auch in unserem Verein an.
Wichtige Daten aus der "Germania"-Geschichte
1811: Am 19. April gründet der 33-jährige Zimmermann Johann Samuel Schwalbe in Chemnitz eine Maschinenbau-Werkstatt. Mit dem Bau von Spinnmaschinen (die anfangs zum großen Teil aus Holz bestehen) steigt er in die Entwicklung des Textilmaschinenbaus ein.
1873: Die Firma wird eine Aktiengesellschaft und heißt "Maschinenfabrik Germania vormals J. S. Schwalbe & Sohn". Das Firmengelände an der Fabrikstraße wird erweitert.
1946: Nach Volksentscheid am 30. Juni wird der Betrieb volkseigen und heißt nun VEB Germania Chemnitz.
1990: Die politische "Wende" in Ostdeutschland hat Folgen auch für Germania: Ab März vertritt ein neugewählter Betriebsrat die Interessen der Belegschaft. Beschäftigtenzahl im Mai: 1.569, davon 425 Produktionsarbeiter und 413 in Hilfsbereichen. Am 1. Juli wird aus dem VEB Germania Karl-Marx-Stadt die Apparate- und Anlagenbau Germania GmbH Chemnitz. Die wirtschaftlichen und politischen Umbrüche verursachen Auftragsannullierungen "in Größenordnungen". Am 13. August wird im Betrieb Kurzarbeit eingeführt.
1992: Am 1. Oktober "verkauft" die Treuhand Germania für eine Mark an den indischen Konzern Mukand Steel Ltd. Bombay und gibt noch 100 Millionen als "Anschubfinanzierung" dazu. Der Konzernchef Rajesh Shah schenkt die Germania seinem Sohn zum 40. Geburtstag. Chef des Aufsichtsrats ist nun Gerhard Biedenkopf, Bruder des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf.
1996: Betriebsbesetzungen und weitere Proteste der Belegschaft sowie intensive politische und wirtschaftliche Bemühungen um eine Weiterführung der Germania aus der Insolvenz heraus, insbesondere eine Übernahme durch einen Großrohr-Hersteller aus Siegen, bleiben ohne Erfolg.
1997: Als Spezialist für "Apparatebau mit Sonderwerkstoffen" führt die ASE Apparatebau GmbH unter anderem das Know-How und die Tradition von Germania Chemnitz GmbH, Geschäftsbereich Sonderwerkstoffe fort. Seit seiner Gründung hat sich das Unternehmen zu einem innovativen, erfolgreich am internationalen Markt agierenden Unternehmen entwickelt.
1998: Seit der Neugründung im Jahr 1998 spezialisiert sich die Harald Liebers Behälter-Apparatebau GmbH auf die Planung, Konstruktion und Fertigung qualitätsgeprüfter Produkte im Apparate- und Behälterbau. Heute gehört Liebers Behälterbau zu den führenden Anbietern in diesem Segment.