Chemnitz erlebt in diesen Tagen ein Déjà-vu: Galeria Karstadt Kaufhof, der letzte große deutsche Warenhauskonzern, beginnt ein Schutzschirm-Verfahren - schon zum zweiten Mal in weniger als zwei Jahren. Laut Galeria-Chef Miguel Müllenbach müsse das Filialnetz mindestens um ein Drittel verkleinert werden. Das heißt, mehr als 40 der 131 Kaufhäuser sollen geschlossen werden. Zahlreiche der 17.400 Arbeitsstellen werden entfallen. So muss auch Chemnitz erneut um eines seiner größten Innenstadt-Objekte bangen. Bleiben 20.000 Quadratmeter Verkaufsfläche - also knapp ein Drittel der gesamten Handelsfläche in der Innenstadt - bald ungenutzt? Ob der Chemnitzer Standort betroffen sein wird, wissen die rund 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch nicht. Ver.di kündigte jedenfalls an, um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. Während ein Stadtsprecher den Erhalt des Standorts - gerade im Hinblick auf das Kulturhauptstadtjahr 2025 - als Ziel ausgibt, werden die Rufe nach einem Plan B lauter.
Chemnitz bereits 2020 auf der Abschussliste
Nach FAZ-Informationen seien vorherige Verhandlungen um einen weiteren Kredit aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds der Bundesregierung gescheitert. Es habe sich gezeigt, dass zusätzliche Fremdmittel mit ihren Zinsen den Warenhauskonzern finanziell zu sehr belasten würden, sagte Müllenbach der Zeitung. Nun übernimmt ein gerichtlicher bestellter Sachverwalter die Aufsicht über die Rettung, während die Unternehmensführung die Kontrolle behält. Bereits im Sommer 2020 geriet der Konzern in Schieflage und musste Insolvenz anmelden. Unter den 40 Standorten, die damals deutschlandweit geschlossen wurden, sollte ursprünglich auch Chemnitz sein. Nach Verhandlungen mit dem Vermieter blieb die Filiale damals jedoch erhalten. Nun ist es allerdings naheliegend, dass jene Häuser gefährdet sind, die bereits bei den letzten Filialschließungen im Gespräch waren.
"Notwendige Investitionen nicht eingehalten"
"Für uns geht es jetzt darum, möglichst jeden Arbeitsplatz zu erhalten", sagt Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Und es gehe auch um die Attraktivität vieler Innenstädte, "weil die Standorte von Galeria Karstadt Kaufhof an vielen Stellen einen Ankerpunkt für weitere Geschäfte, Handels- und Dienstleistungs-Unternehmen bilden." Nach dem ersten Insolvenzverfahren im Jahr 2020 hätten sich die Beschäftigten auf einen Tarifvertrag auch zur Beschäftigungssicherung eingelassen und akzeptiert, dass deutlich unterhalb des Flächen-Tarifvertrags entlohnt wird. "Auf diese Weise wurden dem Unternehmen etliche Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Auch deshalb sind jetzt Wut und Enttäuschung bei den Beschäftigten besonders groß, weil der Eigentümer René Benko, seine Zusagen, umfassend in die Häuser zu investieren, nicht eingehalten hat."
"Oberbürgermeister muss sofort handeln"
Eine Anfrage der AfD-Fraktion im Mai, wie es mit dem Chemnitzer Standort weitergeht, wurde durch Oberbürgermeister Sven Schulze damals noch mit positiven Zukunftsaussichten beantwortet. "Jetzt, wo er von der Realität eingeholt wird, erwarten wir, dass er sofort tätig wird und für alle denkbaren Szenarien vorbereitet ist", fordert der Fraktionsvorsitzende Volker Dringenberg. "Das Versprechen, Wirtschaft zur Chefsache zu machen, löst man nicht ein, indem man sich für eine einzelne Firma am Rande der Stadt und deren Grundstückswünsche stark macht", so Dringenberg. Es gehe um eine Dimension, die auf viele Händler der Innenstadt und schlussendlich auch die Stadt selbst ausstrahlt. Die Fraktion habe im Stadtrat daher einen Beschlussantrag eingereicht, der den Oberbürgermeister verpflichten soll, sich sofort für alle möglichen Szenarien zu wappnen.
erschienen am 02.11.2022