Es ist für viele Betroffene einfach nicht zu glauben, was sie da in den letzten Tagen erfahren mussten. Das Chemnitzer Jugendamt plant, im kommenden Jahr eine Million Euro zu sparen - durch Streichungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit. Lapidar per E-Mail wurden Einrichtungen darüber informiert, dass die finanzielle Förderung zum Jahresende gekappt wird und die Angebote abzuwickeln seien.

 

Zahlreiche Angebote betroffen

Konkret betreffen diese Pläne zahlreiche Institutionen und Angebote, wie zum Beispiel die Kinder- und Familienzentren, die quer über das Stadtgebiet verteilt sind, das Kraftwerk auf dem Kaßberg, die Beratungsstelle Prisma auf der Rembrandtstraße oder den Familientreff in Grüna.

"Die Stadt weiß gar nicht, was sie damit anrichtet", sagt eine junge Sozialarbeiterin aus Chemnitz. Besonders wenn sie die Liste der bedrohten Familienzentren lese, könne sie nur mit dem Kopf schütteln. "Gerade durch diese niedrigschwelligen Angebote ist es oft möglich, überhaupt an Familien ranzukommen, wo das Kindeswohl im Argen liegt", berichtet sie.

 

Mitarbeiter haben vielfältige Aufgaben

Die Mitarbeiter der sozialen Einrichtungen könnten sensibel Dinge aufspüren, die größere Institutionen wie das Jugendamt gar nicht im Blick haben. "Diese Streichungen machen mich einfach wütend. Aber Hauptsache wir können uns Kulturhauptstadt nennen!", so die junge Frau weiter. Ähnlich sieht es Linda Forberg. Die Mutter zweier Kinder nutzt regelmäßig die Angebote im Kraftwerk. "Es werden derzeit Millionen in das Projekt Kulturhauptstadt gesteckt. Aber da wo Geld wirklich wichtig ist, nämlich im sozialen Bereich, der die nachfolgenden Generationen betrifft, ist nichts da", so die Chemnitzerin.

 

Kritik aus der Politik

Auch von den Kommunalpolitikern kommt Kritik. "Es ist inakzeptabel, dass hier exorbitante Streichlisten öffentlich verhandelt werden, obwohl der Stadtrat noch nicht mal einen Entwurf für den neuen Haushalt erhalten hat. Wir fordern die Verwaltung auf, den erarbeiteten Planentwurf für den neuen Doppelhaushalt umgehend den Fraktionen vorzulegen. Im Februar 2023 ist das zu spät", sagte Christin Furtenbacher, bündnisgrüne Sprecherin für Kinder- und Jugendpolitik der Fraktionsgemeinschaft im Chemnitzer Stadtrat. Bis vor wenigen Tagen galt die Angebotslandschaft der Jugendhilfe auch für den kommenden Haushalt als gesichert. Eine Erklärung, warum nun in diesen Größenordnungen Einsparungen erforderlich sind, bleibe der Kämmerer bislang schuldig, so Furtenbacher weiter. Eine Entscheidung über diese massiven Kürzungsabsichten im Bereich der Jugendhilfe sei nicht möglich, solange der Stadtrat kein klares Bild über den Gesamthaushalt und die Verteilung der Mittel hat.

 

Petition gestartet

Mittlerweile wurde eine Petition im Netz gestartet, die zum Erhalt der acht Familienzentren Bunte Gärten, Tausendfüssler, Pfiffikus, RappelZappel, Kappelino, Glückskäfer, Pampelmuse und Zeisigwaldfüchse beitragen soll. "Wir brauchen in unserer Stadt jeden Sozialarbeiter*in, Familienbegleiter*in, Erzieher*in. Wir können nicht auf unsere Familienzentren verzichten, das würde weitreichende Folgen mit sich bringen!", so die Initiatorin der Petition Sophie Uhlig aus Chemnitz. Unter folgendem Link ist die Petition zu finden.