Titel, Ehrungen, Fans: So erfolgsverwöhnt lebte Schwimmstar Stev Theloke nach seinem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2000 in Sydney. Erst 21 Jahre nach dem Erfolg sollte wieder ein deutscher Männerschwimmer eine Einzelmedaille im Becken holen. Was bisher niemand wusste: Ebenfalls 21 Jahre nach seinem Triumph befand sich Theloke im Kampf gegen eine schwere Krebserkrankung. Jetzt spricht er erstmals über diese Zeit, verrät, wer ihm Kraft gibt und warum er inzwischen wieder scharf auf Wettbewerbe und Rekorde ist.
Stev Theloke im Interview
Stev, wann immer man Sie sieht, sind Sie gut gelaunt. Auch in diesen Tagen. Und trotzdem berichten Sie nun erstmals öffentlich von einem gesundheitlichen Schicksalsschlag. Wie passt das zusammen?
"Ich glaube, dass mentale Stärke und körperliche Konstitution Hand in Hand gehen. Ja, ich habe vor einiger Zeit eine harte Diagnose erfahren. Aber meine Lebensfreude möchte ich mir deshalb nicht nehmen lassen."
Bei Ihnen wurde eine sehr seltene Krebsvariante diagnostiziert. Können Sie mit uns darüber sprechen?
"Vorab: Ich habe mich bewusst entschieden, an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich möchte sowohl anderen Betroffenen Mut machen als auch über eine seltene Krankheit informieren. Vielleicht kann ich auf diesem Weg einigen Menschen helfen. Zudem ist es mir wichtig, dass ich mich bei den mir nahestehenden Menschen für die Unterstützung in den vergangenen Monaten bedanken will.
Im Jahr 2020 sagten mir Ärzte, dass sie in meinem rechten Oberschenkel ein sogenanntes Weichgewebesarkom entdeckt haben. Ich hatte in den Monaten zuvor festgestellt, dass ich Druckschmerzen im Bein hatte, dass da irgendetwas nicht stimmte. Da ahnte ich schon, dass die Beschwerden diesmal keine sportmedizinischen Ursachen haben könnten. Inzwischen weiß ich, dass die Wucherung 20 Jahre lang wachsen konnte. Ich hatte schon Anfang der 2000er Jahre dort immer mal kleine Veränderungen erfühlt, mich aber nie darum gekümmert, alle Gedanken verdrängt, dass es was Ernstes sein könnte. Das bereue ich heute sehr."
Anmerkung: Die Deutsche Krebsgesellschaft gab überhaupt erst im Jahr 2021 eine Leitlinie zur Behandlung von Weichgewebesarkomen heraus. Darin steht: "Weichgewebesarkome sind eine sehr heterogene und seltene Gruppe von Tumoren mit unterschiedlichem pathologischem und klinischem Erscheinungsbild. Bei Erwachsenen machen sie weniger als ein Prozent aller Krebserkrankungen weltweit aus, bei Kindern sieben Prozent."
Wie sind sie mit der Diagnose umgegangen?
Zunächst hatte ich den Arztbesuch immer wieder hinausgeschoben, bis ich ihn als unvermeidliche Pflicht angesehen habe. Das ist wohl so ein Männerding: Man geht erst zum Doc, wenn es wirklich drückt. Dann startete der Weg von Arzt zu Arzt. Ich war in Chemnitz, Berlin und Aue - übrigens in außerordentlich sensibler Behandlung - und erfuhr letztendlich, dass in den vergangenen 20 Jahren in meinem Oberschenkel ein Sarkom in der Größe einer Coladose gewachsen war. Meine Muskulatur hatte den Tumor so überdeckt, dass er von außen nicht sichtbar war. Weil das Sarkom inzwischen gefährlich nahe der Beinarterie lag, fielen recht schnell auch Begriffe wie Amputation. Meiner Lebensgefährtin hatte ich die drohenden Konsequenzen zunächst verschwiegen, weil sie mich selbst so schockiert hatten."
Wie haben Sie die Zeit der Erkrankung erlebt?
Das Sarkom konnte glücklicherweise entfernt werden. Zuvor wurde jedoch wochenlang bestrahlt, um den Operationsaufwand kleinzuhalten. Es war eine grauenvolle Zeit. Wegen Corona konnte ich meine Tätigkeit als Schwimm- und Personaltrainer nicht ausführen. Meinem Hobby, dem Golfsport, konnte ich deshalb auch nicht nachgehen. Es gab nur die Krankheit. Es gab meine Verunsicherung. Es gab Ängste, Verzweiflung. Ich war kein angenehmer Mensch in der Zeit.
Was hat Sie aus dem Tief geholt? Sie machen heute einen sehr in sich ruhenden Eindruck.
Ich habe irgendwann festgestellt, dass ich aus dem Down wieder herausmusste. Dabei hat mir auch meine Erfahrung als Sportler geholfen - man gibt nicht auf, man beißt die Zähne zusammen und man kämpft. Das kannte ich nie anders. Ich habe also mein Leben umgestellt. Ich esse seitdem gesünder, trinke keinen Alkohol, mache viel Sport, trainiere wieder das Schwimmen, genieße den Alltag viel bewusster. Ich bin vor allem meiner Lebensgefährtin und meinen Freunden unendlich dankbar, dass sie die schwere Zeit mit mir durchgestanden haben, dass sie mir Kraft und Nähe geschenkt haben. Ich versuche, diese Dankbarkeit nun mit Gemeinsamkeit besonders in meiner Beziehung zurückzugeben.
Wie sieht Ihre gesundheitliche Prognose aus?
Man sagt, wenn der Krebs fünf Jahre lang nicht zurückkehrt, sei man geheilt. Das wäre bei mir im Jahr 2025 der Fall. Ich denke aber auch nicht den ganzen Tag an die Erkrankung und ihre potenziellen Folgen. Auch wenn sie mich noch immer einschränkt.
Woran stellen Sie diese Einschränkungen fest?
Ich verspüre Nervenschmerzen, habe Angst, dass ich mir beim Sport Verletzungen zuziehe, weil ich nicht die volle Kraft auf das Bein geben kann. Aber auch das möchte ich mit dem Gang in die Öffentlichkeit klar sagen: Die Krankheit ist für mich kein Grund, um sportliche Herausforderungen zu meiden. Ganz im Gegenteil.
Sie haben Großes vor. Sie verrieten kürzlich, Sie träumen vom Weltrekord in Ihrer Altersklasse.
Ich träume nicht nur davon, ich trainiere auch hart dafür. Im Dezember möchte ich bei den Deutschen Masters-Wettbewerben in Hannover teilnehmen. In der Altersklasse 45 bis 50 habe ich mit meinen aktuell 45 Jahren gute Chancen, der Konkurrenz davonzuschwimmen. Und es ist mein Ziel, dort Rekorde zu holen - bestenfalls einen Weltrekord in meiner Altersklasse. Ich werde bei den Wettbewerben im Rückenschwimmen über 50, 100 und 200 Meter an den Start gehen. Ich freue mich sehr darauf!
Sie sind nicht nur in ihrer Heimatstadt Chemnitz bekannt, sondern auch in der gesamtdeutschen Sportwelt. Meinen Sie, Sie können diese Prominenz nutzen, um auf seltene Erkrankungen wie Weichgewebesarkom aufmerksam zu machen?
Das ist ein großer Wunsch von mir. Ich sage jetzt schon allen, die es nicht hören wollen - vor allem befreundeten Männern - dass sie regelmäßig zur Vorsorge gehen und die eigene Gesundheit ernst nehmen sollen. Ich hoffe zudem, bei Wettbewerben und Golfturnieren künftig mehr Aufmerksamkeit auf Initiativen zur Krebshilfe und zur Vorsorge lenken zu können.
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