Am heutigen 20. Juli feiert Wolfgang "Wolle" Rösch seinen 80. Geburtstag. Seit Ende der 1960er-Jahre war der gebürtige Chemnitzer im DDR-Motorradrennsport eine namhafte Größe. In seiner erfolgreichen Karriere konnte er neben seiner DDR-Meisterschaft 1975 in der Klasse bis 125 ccm noch zwei Vize-Titel feiern. Auslandsstarts waren bei ihm jedoch eher die Ausnahme, trotzdem er seit relativ jungen Jahren eine internationale Lizenz besaß. Zweimal wurde diese in seiner Laufbahn komplett wertlos. Endgültig mit dem Rennsportbazillus infiziert hat sich Wolfgang Rösch im Alter von 20 Jahren. Damals, so um 1962, drehte er zusammen mit seinen Chemnitzer Kumpeln an so manchem Samstagnachmittag "Geilheitsrunden" auf dem nahen Sachsenring. Aus dem gemütlichen Dahinbrausen wurde schnell eine regelrechte, besser gesagt unregelrechte, Raserei. Als Untersatz diente ihm zu dieser Zeit eine 350er Jawa, die ca. 135 km/h Spitze machte. Dies, die Straßenverkehrsordnung und die nicht gerade ungefährliche Stadtdurchfahrt hielten Wolfgang Rösch allerdings nicht davon ab, den 8,7 km langen Kurs mit Durchschnittsgeschwindigkeiten von über 110 km/h zu umrunden. Da er unter seinen Kumpels der mit Abstand Schnellste war, redete man ihm zu, sich im Motorradrennsport zu versuchen.
Vom Straßenpirat zum Rennfahrer
Dies tat er dann auch ab 1964 in der 250er Ausweisklasse. Seinen damaligen Eigenbau-Untersatz nennt er noch heute liebevoll "Hochrad", da die aus verschiedenen MZ-Komponenten zusammengesetzte Maschine einem solchen ähnelte. Im ersten Training zu seinem ersten Rennen auf der Halle-Saale-Schleife lag Wolfgang Rösch bereits nach ca. einem Kilometer auf der Nase. Was folgte, waren sehr beständige und gute Resultate, sowie der sofortige Aufstieg zu den Lizenzlern am Ende seiner ersten Saison. Im darauffolgenden Jahr mischte Wolfgang in der Achtelliterklasse mit und baute nebenbei noch eine richtige 250er auf. Mitte Juli standen die WM-Rennen auf dem Sachsenring an. Die Arbeiten an der Neuen zogen sich bis weit in die Nacht vor den ersten Trainingsläufen. Völlig übermüdet stieg Wolfgang in den Sattel und stürzte prompt. Der dabei erlittene Schädelbasisbruch war seine erste ernsthafte und gleichzeitig schwerste Verletzung seiner Laufbahn. "Über vierzig Stürze hatte ich im Verlauf meiner Karriere. Doch meine überzogene Risikobereitschaft konnte ich nie richtig ablegen", wusste der heutige Jubilar viele Jahre nach seinem Karriereende noch zu berichten.
Der Weg zum Titel
In seiner aktiven Zeit beteiligte er sich dann nie mit einem Motorrad am Straßenverkehr. Auch nicht, als er 1974 die "Goldene MZ", eine Luxusausführung der 150er, gewann. Diese war nach nur einer Woche verkauft. Mit dem Erlös wurde dann die neue Saison vorbereitet. Bei den drei übriggebliebenen Rundstreckenrennen Sachsenring, Schleiz und Frohburg fuhr Wolfgang Rösch dreimal aufs Podest und wurde somit DDR-Meister des Jahres 1975. In den folgenden Jahren kam Wolfgang nur noch einmal in den Genuß, bei allen drei Meisterschaftsläufen das schwarz/weiß karierte Tuch zu sehen. Dies war damals Voraussetzung Nummer eins, um ein Wörtchen bei der Titelvergabe mitreden zu können. 1980 gelang ihm das dann wieder und Wolfgang Rösch konnte so noch einmal Vize-Meister werden. Für besagtes Jahr hatte er sich die letzte 125er, die die MZ-Rennabteilung verlassen hatte, zugelegt. Auch 1981 lief es sehr gut für "Wolle". Zwar war die internationale Konkurrenz mit ihren zweizylindrigen 125ern zu stark geworden, aber als bestplatzierter Einzylinder-Pilot sowie zweitbester DDR-Fahrer am Sachsenring und in Schleiz führte er die Meisterschaftstabelle an. Gleichzeitig erfüllte er sich am Sachsenring einen Traum, als er den Kurs endlich mit einem Schnitt jenseits der 150-km/h-Schallmauer umrundete. Für das entscheidende Rennen in Frohburg wurde ihm dann allerdings der Start untersagt. Was war passiert?
Mehr als ein Lausbubenstreich
Beim Inter-Rennen im tschechischen Horice hielten Wolfgang Rösch und der in die BRD ausgereiste Ex-Clubkamerad Johannes Müller in einem Waldstück an und tauschten die Motorräder. "Wolle" wollte so gern einmal eine Zweizylinder-Morbidelli fahren, was er nun auch tat. Der Tausch von Motorrädern allein ist schon ein Verstoß gegen das Reglement, aber die unterschiedlichen Nationalitäten der Beteiligten brachte noch eine zusätzliche Brisanz in die Angelegenheit. Das muntere Treiben blieb den DDR-Offiziellen natürlich nicht verborgen, worauf er seine internationale Lizenz umgehend verlor und auch besagte Sperre für das Frohburger Dreieckrennen zu Stande kam. Darüber hinaus wurden ihm sämtliche bislang eingefahrenen Punkte aberkannt. Somit blieb ihm nicht einmal mehr der dritte Gesamtrang. Das Interesse, als Aktiver im DDR-Rennsport mitzutun, sank nun noch mehr. Bereits am Anfang seiner Karriere, als seine sportlichen Leistungen durchaus ausreichend waren, um auch im Ausland an diversen WM-Läufen teilzunehmen, wurde er mit einer Sperre diesbezüglich belegt. Gründe dafür wurden Wolfgang Rösch nie genannt, doch verdichteten sich die Anzeichen damals dahingehend, dass ihn wohl irgendwer als "Republikfluchtgefährdeter" abstempelte und auch anprangerte. Eine neue Herausforderung suchte der 1,76 m große Chemnitzer im Automobilrennsport. Mit dem Geyerer Tourenwagen-Spezialist Sieghard Sonntag wollte er zusammenspannen. Auf abgelegen Straßen wurden schon erste Probefahrten gemacht. Schließlich suchte Wolfgang Rösch doch sein Glück in einer neuen Welt und verließ die DDR im Januar 1984 nachdem seinem Ausreiseantrag nach zwei Jahren Bearbeitungszeit stattgegeben wurde.
Heimkehr
Im Westen angekommen verschlug es ihn nach Nürnberg, wo er als Kfz-Schlosser in seinem alten Beruf weiter arbeiten konnte. Bis zum Fall der Mauer war es natürlich auch Wolfgang Rösch versagt, die DDR zu bereisen. Treffen mit seiner Tochter oder Verwandten konnten nur in der damaligen CSSR abgehalten werden. Nach der Grenzöffnung besuchte er regelmäßig seine sächsische Heimat, bis er das häufige reisen Leid war und er seinen Wohnsitz wieder zurück nach Chemnitz verlegte. Wieder arbeitete er in einem (Chemnitzer) Zweiradgeschäft. Auch mit dem Motorsport blieb er weiter verbunden und half so manchem Rennfahrer. Später stieg Wolfgang Rösch auch wieder selbst in den Sattel und drehte bei so mancher Klassik-Veranstaltung seine Runden. Dies ist inzwischen deutlich seltener geworden, doch ein in Fahrerlagern gern gesehener Gast ist er nach wie vor.