Mit einer Online-Petition macht der Flüchtlingsrat aktuell gegen die drohende Abschiebung eines seit 35 Jahren in Chemnitz lebenden Vaters aus Vietnam mobil. Mehr als 66.000 Unterstützende - darunter mehr als 14.000 aus Sachsen - haben seit dem Aufruf am Freitag, 19. August, bereits unterschrieben (Stand: 23. August, 12 Uhr). Das Ergebnis übersteigt schon jetzt die regionale Relevanzschwelle auf openPetition, weshalb sich nun der Petitionsausschuss des Sächsischen Landtages mit dem Thema befassen muss.

 

Seit 35 Jahren in Deutschland

Pham Phi Son wohnt seit 35 Jahren in Deutschland - länger als die Hälfte seines Lebens. Hier ist mittlerweile seine Heimat. Geboren und aufgewachsen ist er jedoch in Vietnam. 1987 kam er im Alter von 30 Jahren als Gastarbeiter in die DDR. Er blieb auch nach der Wende in Deutschland, arbeitete vorwiegend in der Gastronomie, lernte in Chemnitz seine Partnerin kennen und wurde 2017 schließlich Vater. 2011 erhielt er eine unbefristete Niederlassungserlaubnis, die ihm und seiner Frau nun wieder entzogen wurde. Die Begründung: Er hatte sich 2016 mehr als sechs Monate in Vietnam aufgehalten. Laut deutschem Recht erlischt die Niederlassungserlaubnis nach diesem Zeitraum. Für den längeren Aufenthalt in seinem Herkunftsland hätte Pham Phi Son zuvor einen Antrag bei der Ausländerbehörde stellen müssen. Allerdings ist auch festgehalten, dass eine solche Erlaubnis bei einem rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland von mindestens 15 Jahren und einem gesicherten Lebensunterhalt nicht erlischt.

 

Für medizinische Behandlung in Vietnam

Dabei war der Grund für den verlängerten Aufenthalt im Herkunftsland lediglich die notwendige medizinische Behandlung einer alten Kriegsverletzung, die unvorhersehbar länger dauerte. In Deutschland ausgestellte ärztliche Atteste bestätigen diese Schilderungen. Dennoch lehnte sowohl das Verwaltungsgericht Chemnitz als auch die Härtefallkommission ab, der Familie das Bleiberecht zuzusichern. Die Familie darf nun nicht mehr berufstätig sein und ist fortan auf finanzielle Unterstützung von Bekannten angewiesen, obwohl Jobangebote für beide Elternteile bestehen. Im Rahmen der Abschiebung kann auch eine Familientrennung nicht ausgeschlossen werden.

 

"Politischer und moralischer Skandal"

Das Vorgehen sei ein Skandal, so der Sächsische Flüchtlingsrat. "Da hier eine vollständig integrierte Familie bedroht wird, die ausreichend Arbeitsangebote besitzt, um sich selbstständig zu versorgen. Wir sehen in diesem Fall den per Artikel 6 im Grundgesetz zugesicherten Schutz der Familie in Gefahr. Die zuständigen Behörden erkennen außerdem weder die jahrelange Lebens- noch die Integrationsleistung von Familie Nguyen/Pham an. Eine mögliche Abschiebung wäre somit konträr zum Inhalt des neuen Migrationspaketes der Bundesregierung. Deshalb fordern wir, dass die Pläne der Abschiebung sofort gestoppt werden und der gesamten Familie erneut eine unbefristete Niederlassungserlaubnis durch die Ausländerbehörde Chemnitz ausgestellt wird!" Der mediale, politische und moralische Skandal festige die Wahrnehmung Sachsens als Bundesland, "dessen Behörden besonders restriktiv gegenüber Migrant*innen entscheiden."

 

"Verheerendes Signal an zweite Generation"

Auch der Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen e.V. (DSM) unterstützt die Forderung des Sächsischen Flüchtlingsrates. Kanwal Sethi, Co-Vorsitzender des DSM erklärt: "Es ist unerträglich, dass in Sachsen immer noch Menschen abgeschoben werden, die seit vielen Jahren Teil unserer Gesellschaft sind. Herr Pham wohnt, wie viele ehemalige Vertragsarbeiterinnen und Vertragsarbeiter sowie Mitglieder unseres Verbandes, seit über 30 Jahren in unserem Land, arbeitet, zahlt Steuern und hat eine Familie gegründet. Was ist das für ein Signal an die zweite Generation? In was für einem Land leben wir, in dem tausende junge Menschen, die hier geboren wurden und oft die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, mit der Angst leben müssen, dass ihre Eltern und die ganze Familie bei einem Fehler jederzeit abgeschoben werden können?" Die Generation von Herrn Pham sei ein Vorbild für ihre Kinder. Sie habe sich nach der Wiedervereinigung in den 90er Jahren ohne Hilfe des Staates eine Existenz aufgebaut, während Wohnheime brannten und Migranten Hass und Gewalt erleben mussten. "Wir fordern Herrn Mackenroth und das sächsische Innenministerium dazu auf, alles zu tun, damit die Familie von Herrn Pham ihr Leben hier in Sachsen fortsetzen und Teil unserer Gesellschaft bleiben kann."

Hier geht's zur Online-Petition:

https://www.openpetition.de/petition/online/nach-35-jahren-in-sachsen-familie-pham-nguyen-muss-bleiben