Bernhard Schütz zählt zu den bekanntesten Schauspielern Deutschlands, die niemand kennt. Diesen Widerspruch muss man erklären: Der 65-Jährige, lange an der Berliner Schaubühne aktiv, ist ein Gesicht, das einem ständig im Fernsehen begegnet. Er hat immer wieder "Tatort"-Epsiodenrollen gespielt, machte viele Filme in tragenden Nebenrollen besser und verkörperte in der viel gepriesenen ZDF-Polit-Comedy "Eichwald, MdB" einen frustrierten Parlamentarier. Nun kann man ihn als Kunstfälscher erleben, der sich auf einem Kreuzfahrtschiff in der Rolle des David Bowie-Imitators versteckt. Die Rede ist von der großartigen deutschen Filmkomödie "Das schwarze Quadrat" (Montag, 12. August, 20.15 Uhr), dem Eröffnungsfilm der ZDF-Reihe "Shooting Stars 2024 - Junges Kino im Zweiten". Selten haben absurde Komik und Slapstick-Momente in Deutschland so gut funktioniert wie in diesem Filmdebüt von Peter Meister. Im Interview erzählt Bernhard Schütz, warum sich deutscher Humor oft im Ton vergreift, weshalb er als gebürtiger Leverkusener Eintracht Frankfurt-Fan ist und aus welchem Grund er gerne noch unbekannter wäre.

teleschau: "Das schwarze Quadrat" hat einen ungewöhnlichen Humor, dem man in deutschen Filmen so selten begegnet. Was dachten Sie beim Lesen des Drehbuchs?

Bernhard Schütz: Humor in Deutschland, das ist so eine Sache. Ich bin total gegen das Bashen von deutschem Humor - aber vieles ist einfach auch nicht gut geschrieben. Ich habe ja in der Polit-Comedy-Serie "Eichwald, MdB" von Stefan Stuckmann gespielt. Beim Lesen des Buches dachte ich: Das ist so gut, das kann man einfach so vom Blatt spielen. Und so ähnlich ging es mir nun auch bei "Das schwarze Quadrat". Viele deutsche Komödien sind aber wie erzählte Witze. Man behauptet einfach, dass etwas komisch wäre und los geht's.

teleschau: Woran liegt es, wenn Komik nicht funktioniert?

Bernhard Schütz: Leider werden in deutschen Komödien die Situationen, Deformationen der Figuren und gesellschaftlichen Situationen fast nie so verdammt ernst genommen, wie es nötig wäre, damit sie in Komik umkippen können. Stattdessen steht immer das Bemühen an erster Stelle, Figuren oder Situationen lustig zu erzählen. Aber wo es kein großes Problem gibt, gibt es auch keine große Komik. Man denke nur an Buster Keaton, für den praktisch alles ein Problem war.

"Er ist der größte Slapstick-Schauspieler, den ich kenne"

teleschau: Aber kann man nicht auch Komik durch Sprache erschaffen? Im Genre der Screwball Comedy geht es vor allem um geschliffenen Wortgefechte ...

Schütz: Was in Deutschland auch meistens nicht so gut funktioniert wie im Englischen. Es liegt unter anderem daran, dass es in unserer Sprache schwerer fällt, die Pointe ans Ende eines Satzes zu packen - so rein vom Satzbau her. Stefan Stuckmann, der sich damit viel beschäftigt hat, sagte mir mal, dass dies im Englischen viel einfacher sei. Vielleicht haben die deshalb dort oft die besseren Komödien.

teleschau: Über welche Art von Komik können Sie am meisten lachen?

Schütz: Meine Humorschule hört auf den Namen Henry Hübchen. Auch ein bisschen Herbert Fritsch. Aber ich kenne niemanden, der im Theater so komisch ist wie Henry Hübchen. Er ist der größte Slapstick-Schauspieler, den ich kenne. Der beste Humor entsteht durch die Not und Scham der Figur. Für meine gänzlich unmusikalische Figur, einen Kunstfälscher in "Das schwarze Quadrat", ist es absolut erniedrigend, als David Bowie-Imitator allabendlich auf der Bühne eines Kreuzfahrtschiffes zu stehen. Aber es ist nun mal seine Tarnung, die er nicht loswird, ohne aufzufliegen. Das ist einfach eine gut ausgedachte, tragikomische Situation.

teleschau: Sie haben jetzt die Chance, Ihre internationale Lieblingskomödie zu nennen!

Schütz: Peter Sellers Inspektor Clouseau. Vielleicht "Der Partyschreck". Viele Woody Allen-Filme. Alle, die von dieser neurotischen Not erzählen. "Birdman" mit Michael Keaton war ein genialer Film, zwar nicht durchgehend komisch, aber mir gefällt es, wenn sich Tragik und Komik oft in der gleichen Szene begegnen.

"Er fragte stattdessen: Wo ist der Nazi in mir?"

teleschau: Kommen wir noch mal zum deutschen Humor zurück. Woran liegt es, dass unser Humor oft als "platter" eingestuft wird - im Vergleich zu anderen Ländern?

Schütz: Platten Humor gibt es überall. Man neigt dazu, gute Sachen, die von anderswo kommen, zu idealisieren. Trotzdem stimmt es, dass im anglo-amerikanischen Raum mehr Arbeit und Expertise in Humor gesteckt wird. Damit etwas lustig ist, muss man großen Aufwand in Analyse der Situation, in Sprache und Timing stecken. Es bringt zum Beispiel eine Menge, Szenen ausführlich zu proben. Bei "Eichwald, MdB" haben wir viel geprobt - und auch bei "Das schwarze Quadrat".

teleschau: Wenn Sie in "Eichwald, MdB" den deutschen Politikbetrieb durch den Kakao ziehen, denkt man, dass unsere Demokratie oder Bürokratie eher schlecht funktioniert. Ist so etwas nicht gefährlich in einer Zeit, da die Demokratie bedroht ist?

Schütz: Tatsächlich habe ich damals bei "Eichwald" gelernt, dass es nichts Schwierigeres gibt, als gute Ideen, die man für die Gesellschaft hat, in Gesetze zu gießen. Weil unser demokratisches System vorsieht, dass viele Parteien und Organisationen am Tisch sitzen und - zu Recht - mitreden wollen, wenn es um Gesetze und Regelungen geht. Trotzdem habe ich über die Figur des Parlamentariers, die ich spielte, Empathie gefühlt, Auch für den Wunsch, gute Politik zu machen.

teleschau: Die Serie ruht nach zwei Staffeln schon eine Weile. Sie geht nicht weiter, oder?

Schütz: Davon ist auszugehen. Was ich sehr schade finde, weil sie für mich wie eine Hygiene-Maßnahme unseres Demokratie-Betriebes funktionierte. Man konnte aktuelle Politik von innen heraus kommentieren. Ich hätte darin gerne den Einzug der AfD in den Bundestag abgebildet. Was man da für Szenen hätte bauen können! Zum Beispiel die Diskussion um den FC Bundestag, die Fußballmannschaft der Parlamentarier. Von Anfang an spielten dort alle Parteien zusammen in einem Team. Nun hat man im Frühjahr die AfD-Spieler ausgeschlossen. Was könnte man daraus für komische Szenen bauen ...

teleschau: Muss Humor immer weh tun, wenn er richtig gut sein will?

Schütz: Ja, schon. Ich denke gerade an Aktionen, die Christoph Schlingensief früher auf die Beine stellte. Der hat als Künstler und Humorist nie gefragt: "Wo sind die Nazis?". Er fragte stattdessen: "Wo ist der Nazi in mir?" Dieser Ansatz ist erfolgversprechender, wenn man herausfinden will, warum es gewisse gesellschaftliche Phänomene gibt. Nach dem Motto: Wenn ich an meinen Nazi nicht rankomme, komme ich auch an keinen Fremden heran. Selbstversuche bringen am meisten im Leben, wenn es einem um den Erkenntnisgewinn geht.

"Die Eintracht hatte immer wieder mal tolle Mannschaften"

teleschau: Sie haben gerade die Fußballmannschaft des Bundestages angesprochen. Haben Sie eine Verbindung dazu? Als gebürtiger Leverkusener könnten Sie sich über die Deutsche Meisterschaft des lokalen Fußballvereins gefreut haben ...

Schütz: Ach, diese Meisterschaft hat mich schon gefreut. Ich verbinde natürlich unheimlich viele Jugenderinnerungen mit Leverkusen und dem Rheinland. Das Stadion ist noch am gleichen Ort, wo ich mich in den 70- ern schon herumgetrieben habe, wenn der FC kam.

teleschau: Sie waren damals in der aktiven Fanszene?

Schütz: Na ja, ich habe Dinge gemacht, die man als Jugendlicher halt so macht. Was den Fußball betrifft: Ich schaue ihn gern. Und Bayer Leverkusen spielte letzte Saison tatsächlich fantastischen Fußball, dem man gerne zuschaute. Mein Lieblingsteam in Deutschland ist aber Eintracht Frankfurt.

teleschau: Wie sind Sie als in Berlin lebender Rheinländer Eintracht Frankfurt-Fan geworden?

Schütz: Tatsächlich über den ehemaligen Präsidenten Peter Fischer. Der hat sich sehr früh und deutlich gegen die AfD positioniert. Das hat mir gefallen - und davor schon die Wankelmütigkeit des Fußballs und der Leistung. Die Eintracht hatte immer wieder mal tolle Mannschaften, die heute mal grandios und morgen dann doch wieder grottig kickten. Eine solche Ambivalenz gefällt mir einfach als Künstler sehr gut (lacht).

teleschau: Schauen Sie viel Fußball?

Schütz: Ich schaue ihn gern - zur Unterhaltung. Aber ich würde mich jetzt nicht als Experten oder Fußball-Nerd beschreiben.

"Gerne wäre ich noch unprominenter"

teleschau: Kommen wir noch mal zu Ihren. Es gibt wenige deutsche Schauspieler mit einer derart langen Filmografie. Über die letzten 25 Jahre haben Sie jedes Jahr etliche Rollen gespielt. Allein 14 "Tatort"- Rollen sind bei Wikipedia vermerkt ...

Schütz: Ich glaube, ab und zu werden Charts mit den häufigsten deutschen "Tatort"- Schauspielern veröffentlicht. Also jene, die nicht fest als Ermittlerfiguren dabei sind. Da bin ich auf jeden Fall weit vorne (lacht) ....

teleschau: Fast alle in Deutschland, die regelmäßig fernsehen, kennen ihr Gesicht. Doch nur wenige Menschen kennen wohl ihren Namen. Ärgert Sie das?

Schütz: Ich vermute, dass Sie mit dieser These richtig liegen - und empfinde genau diesen Status als sehr angenehm. Gerne wäre ich noch unprominenter. Ich finde es nicht erstrebenswert, auf der Straße erkannt zu werden. Ich gehe auch nie zu Empfängen oder in Restaurants ...

teleschau: Heißt das, Sie meiden öffentliche Orte?

Schütz: Nein, nein - nur jene Orte, die Leute aufsuchen, um gesehen zu werden. Natürlich gehe ich wie andere Menschen gerne nach draußen und auch gerne mal gut essen. Nur mit Prominenz kann ich wenig anfangen. Ich schätze sie nicht und empfinde sie rein als Nachteil. Man kann es kurzfassen: Ich liebe die Arbeit als Schauspieler, vor allem das gemeinsame Arbeiten am Projekt.