Man kann schon verstehen, warum man Philipp Hochmair als Hauptdarsteller seines Films haben will: Der blonde Wiener sieht nicht nur so gut aus, dass man ihm in seiner Rolle als Ex-Polizist "Der Geier" (Montag, 16. September, ZDF, 20.15 Uhr) ebenso wie dessen neue Existenz als Rockstar abnimmt. Hochmair, der auch selbst eine Band hat, verkörpert im deutsch-österreichischen Krimi einen Mann, der früher Menschen im Zeugenschutzprogramm verschwinden ließ. Bis der Hobbymusiker mit "Tutto Bene" mehr so aus Zufall einen Superhit landete. Der hatte ein zurückgezogenes Leben im düsterschönen Bad Gasteiner Tal zur Folge, wo Lukas Geier jedoch die Geister von einst begegnen. In der Verfilmung der "Tutto Bene"-Romane, die eigentlich am Lago Maggiore spielen, gibt Hochmair gekonnt einen zerrissenen Charakter. Für das 50-jährige Schauspiel-Chamäleon ist ein solcher Persönlichkeits-Spagat allerdings nichts Neues. In der ARD-Krimireihe "Blind ermittelt" spielt Hochmair einen blinden Detektiv und in seiner 2023 mit dem Grimme-Preis gekrönten Darstellung des Nazis Reinhard Heydrich in "Die Wannseekonferenz" ließ er Zuschauern das Blut in den Adern gefrieren. Wie bringt man all diese Menschenfarben unter einen Hut?

teleschau: Was hat der Lago Maggiore mit Bad Gastein zu tun?

Philipp Hochmair: Wir haben eine adäquate Schönheit in Österreich gesucht. Der Roman spielt in Italien. Aber da wir eine deutsch-österreichische Produktion sind, ergab der Umzug Sinn. Zumal man ja vor allem einen schönen Rückzugsort für meine Figur Geier braucht, die auch im Film gut aussieht.

teleschau: Bad Gastein ist ein besonderer Ort ...

Hochmair: Bad Gastein galt als Monte Carlo der Alpen. Ein Ort, der uns heute etwas morbide vorkommt, aber die High Society von damals hat es dorthin gezogen. Heute ist vieles in Bad Gastein leer und kaputt, hat aber immer noch einen gewissen charmanten Glamour. Lukas Geier ist besessen von diesem Ort, weil er ihn als Kind kennengelernt hat und etwas damit verbindet. Deshalb hat er auch jene Menschen, die er mit falschen Identitäten ausstattete, dort ansiedeln und verschwinden lassen.

In der Garderobe mit Lenny Kravitz

teleschau: Sie haben gerade in Salzburg den "Jedermann" gespielt. Und im Film begleiten sie als Musiker eine Puppentheater-Inszenierung des "Jedermanns". Zufall?

Hochmair: Tatsächlich war das alles ein großer Zufall. Das Drehbuch entstand vor meinem Engagement als Jedermann in Salzburg. Allerdings: Mit meiner Band "Die Elektrohand Gottes" bin ich ja schon länger mit einer "Jedermann"-Vertonung auf Tour. Deshalb haben wir das spontan im Film eingebaut. Schließlich spiele ich einen Ex-Polizisten - und Musiker.

teleschau: Wie kam es zur Band?

Hochmair: Ich bin kein Musiker, sondern Schauspieler und Performer. Mit 20 Jahren habe ich den "Jedermann" in Salzburg gesehen und war eher enttäuscht. Ich wollte das Stück anders machen: als Monolog mit musikalisch-drastischer Begleitung. So ist vor etwa zehn Jahren die Idee mit der Band entstanden. Das Projekt ist dann immer größer geworden. Neulich haben wir vor 4.000 Leuten gespielt - auf der Burg Clam. Zwei Tage nach mir ist Lenny Kravitz aufgetreten, mit dem ich mir sogar die Garderobe geteilt habe (lacht). Das hätte ich mir früher nicht träumen lassen.

teleschau: Sie spielen noch in einer anderen Krimireihe: "Blind ermittelt", wo sie einen Ermittler ohne Sehvermögen geben. Reizen Sie nur ungewöhnliche, ja fast schon fantastische Kriminalfiguren?

Hochmair: Dass beide Figuren, also in "Der Geier" und "Blind ermittelt", larger-than-life sind, würde ich als Zufall bezeichnen. Aber einer, der mir gefällt. An der Entwicklung beider Figuren war ich nicht beteiligt. Trotzdem bin ich dankbar für sie. "Blind ermittelt" sehen Millionen von Menschen, es gibt schon elf Filme. Das Ganze ist eine unglaubliche Erfolgsgeschichte, für die ich sehr dankbar bin. Doch eigentlich bin ich ein Mann des Theaters - das gefällt mir als Arbeitsplatz fast noch besser.

Bei "Die Wannseekonferenz" bekam man die Uniform, und dann begann der Dreh

teleschau: Warum?

Hochmair: Weil ich die lange gemeinsame Probearbeit schätze. Für so etwas ist beim Film meist keine Zeit. Bei Kinofilmen hat man diese Zeit nur manchmal. Ich drehte mal eine schwule Liebesgeschichte, der Film hieß "Kater". Da wollte der Regisseur, dass wir uns erst mal kennenlernen, um die gewünschte Intimität überhaupt herstellen zu können. Da gingen wir als Ensemble zusammen in die Sauna. So etwas passiert beim Krimifernsehen eher nicht (lacht).

teleschau: Trotzdem drehen Sie ja auch sehr anspruchsvolles Fernsehen. Bei "Die Wannseekonferenz" spielten Sie den Nazi Reinhard Heydrich so überzeugend, dass viele, die Sie nicht kannten, unbedingt wissen wollten, wer dieser Schauspieler ist ...

Hochmair: Danke fürs Lob. Aber auch da war es so, dass nicht viel vorbereitet wurde. Das Stück lief einfach so durch. Tatsächlich gab keine einzige Probe vorher. Die Situation war fast anonym. Man kam hin, bekam die Uniform, und dann begann der Dreh. Nur den ersten Drehtag haben wir doppelt ablaufen lassen, um warm zu werden. Diese Arbeitsweise könnte aber auch dem Stoff geschuldet sein. Wir spielten ein Protokoll, bei dem es keine Diskussionen gab. Man kann nicht plötzlich die Konferenz, bei der die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen wurde, künstlerisch verändern. Sie gehört so gespielt, wie sie stattgefunden hat. Ich bin sehr stolz auf diese Arbeit.

teleschau: Bei "Der Geier" ist die Musik der große Ausgleich und steht für die Verarbeitung der traumatischen Ereignisse Ihrer Figur. Braucht man als Schauspieler, der so intensiv spielt wie sie, auch einen Ausgleich?

Hochmair: Bei mir ist es in der Tat die Band. Auf der Bühne mit meinen Musikern herrscht eine völlig andere Atmosphäre als am Filmset. Es geht dort viel weniger technisch zu. Man kann sich gehen lassen und erlebt gemeinsam sehr emotional und intensiv das Erschaffen dieser Show. Das hat eine ganz andere Dynamik als klassisches Schauspiel. Es ist eine andere Art von Dialog und Kommunikation mit den Menschen als bei den Dingen, die ich sonst mache.

teleschau: Was ist Ihre Sehnsucht?

Hochmair: Wahrscheinlich ist es dieses Miteinander. Der Wunsch, gemeinsam etwas auf die Bühne zu stellen und Menschen damit zu berühren. Ist das nicht die logischste und älteste Begründung, warum man Schauspieler werden oder sein will? Bei mir trifft diese Begründung immer noch zu einhundert Prozent zu.

"Der 'Jedermann' ist ein nationales Heiligtum"

teleschau: Lassen Sie uns noch mal auf den "Jedermann" zurückkommen, den Sie in diesem Sommer als Nachfolger Lars Eidingers in Salzburg gespielt haben. Es ist ja ein sehr düsterer Stoff. Warum ist er trotzdem populär?

Hochmair: "Jedermann" ist seit 100 Jahren ausverkauft am Salzburger Domplatz. Das sagt eigentlich alles über die zeitlose Popularität der Aufführung. Ich glaube, die Gründe für den Erfolg sind vielfältig. Zum einen ist der Domplatz in Salzburg ein magischer Ort. Es sieht einfach gigantisch aus, wenn dort die Sonne untergeht, der Wind durchfegt oder sogar, wenn es regnet. Das hat schon eine große Mystik. Und dann ist da diese Tradition: Man weiß, die Aufführung gibt es seit 100 Jahren - und alle reden darüber.

teleschau: Sie meinen, der "Jedermann" ist ein Stück österreichisches Kulturgut - so wie die Wagner-Festspiele in Bayreuth ebenfalls Menschen anziehen, die ansonsten keine Oper anschauen ...

Hochmair: Ja, ein bisschen ist es sicher vergleichbar. Ganz Österreich diskutiert über die Besetzung. Jede Umbesetzung des "Jedermann" ist ein Politikum,und die Medien berichten darüber. Auch jene, die mit Hochkultur sonst wenig am Hut haben. Der "Jedermann" ist ein Phänomen. Vor sechs Jahren bin ich da zum ersten Mal für Tobias Moretti eingesprungen. Damals wurde ich abends in den Hauptnachrichten zugeschaltet. Das erklärt so ein bisschen die Dimensionen. Der "Jedermann" ist ein nationales Heiligtum.

teleschau: Gibt das Stück allein diesen Hype auch her?

Hochmair: Ich finde schon. Es ist ein mittelalterliches Morality Play über das Sterben eines reichen Mannes, das Hugo von Hofmannsthal 1911 sozusagen "reloaded" hat. In Berlin ist es damals am Theater durchgefallen. Zehn Jahre später wurde es dann auf dem Domplatz in Salzburg zum Welthit. So wundersam sind manchmal die Wege der Kunst - und des Erfolgs.