Für ihre ARD-Reportage "Machen wir unsere Demokratie kaputt?" (Montag, 26. August, 20.15 Uhr, ARD) reiste Jessy Wellmer kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen durch Ostdeutschland. In der Oberlausitz oder im Erzgebirge habe sie gutes Wetter, schöne Landschaften und freundliche Menschen getroffen, erzählt die "Tagesthemen"-Moderatorin im Exklusiv-Interview mit der Nachrichtenagentur teleschau. "Und dann fängt man an, mit Leuten über Politik zu sprechen, und merkt: Sehr viele haben eigentlich abgeschlossen 'mit der Politik', 'mit denen da oben', mit Ampel, CDU und 'dem Westen'."
Das Fazit der Journalistin zur Stimmung vor den Ostwahlen: "Es ist mir ganz schön viel Spaltung und Polarisierung begegnet." Sie habe keine Menschen getroffen, die ein Ende der Demokratie fordern würden. "Es ist eher andersrum - so wie beim Witz mit dem Geisterfahrer", erklärt sie im Interview. "Die fühlen sich in der Mehrheit - auch bestärkt durch Nachbarschaft und soziale Medien - und denken: 'Die Eliten', 'die Westdeutschen' oder 'die Ampel' setzen sich über den gefühlten 'Volkswillen' hinweg und schaffen die Demokratie von oben ab."
Beispielsweise würden diese Menschen "voller Überzeugung" behaupten, dass man hierzulande über Migration nicht sprechen dürfe. "Und sie übersehen, dass buchstäblich überall darüber gesprochen und geschrieben wird", so Wellmer. Das ganze Land ringe um den richtigen Umgang mit Migration.
Vertrauensverlust erlebt Wellmer auch im Westen
Etwas müsse sich ändern, seien viele überzeugt - nur was? Die Menschen würden damit sehr verschiedene Dinge meinen, glaubt Wellmer. "Aber es eint sie das Gefühl, es gebe sehr große Probleme, eine Bedrohung des Wohlstands und der Lebensgrundlagen - und die in Bund und Ländern regierenden Parteien finden darauf keine Antworten." So hätten viele "das Vertrauen in die Institutionen und Mechanismen der Demokratie verloren", zumindest sei es "ganz schön angeknackst".
Dieser Vertrauensverlust begegne ihr auch in Köln, Hamburg oder Berlin, so die 44-Jährige, doch aus ihrer Sicht gebe es im Osten verstärkende Faktoren. "Das ist die ostdeutsche Unsicherheitserfahrung in der Zeit nach der Wiedervereinigung, das ist die ohnehin schwächere Verankerung zivilgesellschaftlicher und demokratischer Organisationen - Parteien, Gewerkschaften, Vereine, Initiativen." Hinzu komme die weiter fortgeschrittene Alterung der Gesellschaft.