Ein besonderes Thema erlangt in den sozialen Medien gerade Aufsehen: Eine gewünschte Reform im Abstammungsrecht. Doch was hat das zu bedeuten? Für viele Menschen ist es in unserer westlichen Kultur mittlerweile das Normalste der Welt, dass homosexuelle Paare zusammen sind oder auch heiraten. Wenn sie dann aber einen Kinderwunsch äußern rümpfen viele die Nase. Aber warum?
Ina und Vanessa sind verheiratet und wünschen sich ein Baby
Vanessa und Ina aus Berlin teilen seit 2018 ihr Leben auf dem gemeinsamen Instagramaccount "Coupleontour". Dort haben sie über 1,7 Millionen Follower. Das Besondere (für viele ist es aber auch etwas ganz Normales) ist, dass die beiden ein lesbisches Paar sind, was im Sommer 2021 geheiratet hat. Sie lassen ihre Community an ihrer Liebe teilhaben und klären auf, auch über Vorurteile wie zum Beispiel "eine Frau ist doch immer der männliche Part in der Beziehung". Normal soll es sein und akzeptiert, dass auch gleichgeschlechtliche Paare heiraten und vielleicht zwei Frauen in zwei Brautkleidern zum Altar gehen, so wie Vanessa und Ina. Das wünschen sie sich.
Vor drei Monaten erregten sie noch mehr Aufsehen, da sie öffentlich ihren Kinderwunsch bekanntgaben. In einer Klinik in Dänemark hat Vanessa sich künstlich befruchten lassen mit den Spermien eines fremden Mannes, den sich die beiden Frauen ausgesucht hatten. Kurz vor Weihnachten teilten die beiden dann mit, dass Vanessa schwanger sei. Das hat auf Instagram für viel Aufsehen gesorgt. Negativkommentare wie "Schämt euch", "Wie geht denn sowas", "kranke Welt" oder "Das arme Baby tut mir jetzt schon leid" musste sich das Paar anhören. Aber zum Glück bekamen sie mindestens genauso viel, wenn nicht sogar mehr positives Feedback und Rückhalt ihrer Follower.
Das "Problem"
Und da kommen wir schon zum "Problem" des Ganzen. Das Thema ist sehr kontrovers. Da es nicht möglich ist, dass zwei biologische Frauen miteinander ein Kind zeugen, sehen es viele Menschen in der Gesellschaft als abnormal an. Es stünde gleichgeschlechtlichen Paaren nicht zu ein Kind zu bekommen, ganz frei nach der Devise: "Reicht ja schon, dass sie heiraten dürfen." Aber warum eigentlich? Die moderne Medizin macht es doch möglich. Frauen, die auf natürlichem Wege nicht schwanger werden können, haben die Chance über künstliche Befruchtung doch ein Baby zu bekommen. Ist das nicht etwas Großartiges? Warum sollte diese Chance nur Frauen zustehen, die in heterosexuellen Beziehungen sind oder in gar keinen?
Das Wort abnormal, was in diesem Kontext oft fällt, finde ich gar nicht so untreffend, denn abnormal bedeutet nichts weiter als "von der Norm abweichend". Ina und Vanessa tun also etwas, was die Mehrheit der Bevölkerung nicht tut. Soweit so gut. Doch wer entscheidet, was die Norm ist? Sie ergibt sich durch das Zusammenleben von Menschen in einer Gesellschaft. Aber warum soll sich die Norm nicht verändern können? Warum soll man an alten Familienbildern festhalten müssen? Gerade im Jahr 2022?
Die Bedenken der "Gegner"
Auf der einen Seite verstehe ich die Bedenken, die viele Menschen äußern. Was sagt man dem Kind, woher es kommt? Wie reagieren andere Kinder in der Schule auf die außergewöhnliche Situation? Auch die Frage, ob ein Kind einen Vater braucht, wird in der Gesellschaft immer wieder heiß diskutiert, gerade im Kontext von alleinerziehenden Müttern. Manche sagen auch, dass gleichgeschlechtliche Paare akzeptieren sollen, dass Mutter Natur eben Mann und Frau zum Kinderkriegen ausgewählt hat und wenn sie trotzdem unbedingt Kinder wollen, sie doch "einfach" eins aus dem Kinderheim adoptieren sollen, denn schließlich würden diese Kinder sich nichts sehnlicher wünschen als ein geliebtes Zuhause. Was ich nicht ganz verstehe, warum soll der lesbischen Frau das Recht genommen werden, selbst ein Kind mit ihrem Körper zur Welt zu bringen?
Wie viel Urteil steht uns zu?
Ihr merkt, es gibt viele Gedankenansätze, ob gleichgeschlechtliche Paare Kinder haben sollten oder nicht. Ich sehe es eher so, dass das die Paare selbst entscheiden sollten und dürfen. Sie mögen die Minderheit sein, aber warum sollten sie nicht gleiche Rechte wie alle anderen bekommen? Zumal die moderne Medizin es möglich macht. Wenn alle damit glücklich sind, sehe ich nichts Falsches daran. Natürlich stellt sich auch mir die Frage, ob es dem Kind in der Situation gut gehen wird, aber das weiß man nun mal erst, wenn es auf der Welt ist. Manchmal ertappe ich mich, dass ich vermute, dass der Wunsch der Frauen, ein Kind zu bekommen, so viel größer ist, als der Gedanke, ob das Kind diese Lebenssituation genauso gut finden würde. Aber wer bin ich, um darüber zu urteilen? Ich möchte, dass alle die gleichen Chancen bekommen und da gehört auch die gleichgeschlechtliche Elternschaft dazu.
Bei schwulen Männern ist die Situation wieder ganz anders, denn diese können, anders als der weibliche Körper, biologisch kein Kind zur Welt bringen. Hier bin ich eindeutig gegen Leihmutterschaften, weil ich denke, dass viele Frauen ihrem Körper und Hormonen nur für Geld die Tortur einer Schwangerschaft zumuten und ich glaube, dass die meisten Frauen doch Emotionen für das Baby, was sie austragen, entwickeln und ich es falsch finde, dass sie das Baby dann "abgeben müssen". Aber eigentlich geht es mich auch bei Leihmutterschaften nichts an. Wenn alle Parteien damit fein sind, warum sollten sie dann nicht in einem Land, indem Leihmutterschaften legal sind, ein Baby kriegen dürfen? Sie haben einen freien Willen und solange die Eltern das Kind lieben und gut behandeln, sollte dem Ganzen doch nichts im Wege stehen, oder?
Eine Petition für gleichberechtigte Behandlung der Elternschaft
Aber zurück zu Ina und Vanessa: Nun ist es so, dass die beiden eine Petition mit dem Titel "Reform im Abstammungsrecht: Familie für ALLE 2022!" ins Leben gerufen haben. Dabei geht es um den anstrengenden Weg, den Ina vor sich haben wird, um auch als Mutter des Kindes rechtlich anerkannt zu werden. "Wenn ein Kind in eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau geboren wird, ist der Mann - unabhängig von der biologischen Vaterschaft - rechtlich der Vater. Die Frage ist, warum dies in einer Ehe zwischen 2 Frauen anders ist." (zitiert nach Marco Buschmann)
"Nach der Geburt müssen wir gemeinsam einen Antrag stellen - eine Stiefkindadoption. Nur wenn dieser bewilligt wird, ist Ina auch rechtlich die Mutter von unserem Kind. Und diese Regelung macht uns wütend. Wichtig ist doch nur, dass das Kind von seinen Eltern geliebt wird, unabhängig vom Geschlecht", schreiben die beiden auf ihren Kanälen zur Petition. Sie fühlen sich diskriminiert, weil der Weg bei heterosexuellen Paaren zur Anerkennung der Vaterschaft so viel leichter ist, als ihr eigener. Sie haben aufgelistet, welche Dokumente sie einreichen müssen und das sind gewiss nicht wenige. Wenn nur irgendeins davon nicht "passt", dann darf Ina nicht auch die Mutter des Babys sein. Darum wünschen sie sich, dass das Abstammungsrecht im Bundestag reformiert wird. Was denkt ihr da draußen über das Thema? Sollte es eine Reform geben? Dann könnt ihr hier die Petition unterschreiben. Über 170.000 Unterschriften hat sie bereits. Ich denke, wir sollten weniger urteilen und mehr Gleichberechtigung schaffen.
erschienen am 09.02.2022