In der neuen Folge der ZDF-Dokureihe "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für ..." nimmt sich der Schauspieler und Umwelt-Aktivist erstmals keine einzelne Tierart vor, sondern ein ganzes Ökosystem: den heimischen Boden. Dazu trifft er Bio-Bauern, spricht mit konventionellen Landwirten und Wurmexperten, untersucht Äcker und Weinberge und stellt sich im Selbstversuch ernüchternden Fakten: Der schlechte Zustand unserer Böden wirkt sich auf den menschlichen Körper aus, in dem durchschnittlich 300 bis 400 Schadstoffe stecken. Doch das ist nur eine der alamierenden Erkenntnisse, die Hannes Jaenicke aus seiner Recherche zieht. Die Doku "Hannes Jaenicke: Im Einsatz für Erde" ist am Donnerstag, 3. Oktober, um 22.20 Uhr, im ZDF zu sehen sowie tags zuvor bereits in der ZDFmediathek abrufbar. Schon jetzt, so Jaenicke, kann jeder dazu beitragen, die Qualität unserer Böden zu verbessern. Im Interview erklärt er, wie das geht, und warum das Thema so wichtig ist.
teleschau: Woher hatten Sie den Impuls, diesmal nicht Tiere, sondern Böden in den Mittelpunkt Ihrer Doku zu stellen?
Hannes Jaenicke: Obwohl das Thema höchst brisant ist, hat es kaum jemand auf dem Schirm. Ich laufe, stehe, hocke und liege jetzt seit über 60 Jahren auf dem Boden herum und esse genauso lange schon Nahrungsmittel, die darauf wachsen. Aber ich habe mir nie Gedanken über den Zustand des Bodens gemacht. In unserer Sprache ist der Begriff durchaus prominent. Wir sagen, das ist bodenlos, bodenständig, es hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen, das fällt auf fruchtbaren Boden und so weiter. Trotzdem denkt man eigentlich nie über das Thema nach. Dabei sind Böden unglaublich faszinierend. Wenn man einen Teelöffel Humus aus der Erde holt, hat man darin mehr Lebewesen als es Menschen auf der Erde gibt. Davon hatte ich vor dem Film keine Ahnung, deshalb fand ich das Thema so spannend. Und ich bin vermutlich nicht der Einzige, der so ignorant ist und war.
teleschau: Wie Sie mit Ihrem Selbstversuch bewiesen haben, sind in einem Löffel Erde auch mehr Schadstoffe als man vermutet. Wie fühlt es sich an, wenn man den toxikologischen Bericht seines eigenen Körpers präsentiert bekommt?
Jaenicke: Natürlich habe ich mich über die Werte gewundert. Ich bin seit über 40 Jahren Vegetarier und kaufe zu 90 Prozent ausschließlich Bio-Lebensmittel, nur im Restaurant kann ich das nicht durchziehen. Trotzdem war ich der Überzeugung, dass ich total gesund sein muss. Zur Beruhigung haben die Ärzte mir gesagt, dass jeder von uns mindestens so viele Schadstoffe im Körper hat wie ich. Natürlich haben Menschen, die viel rotes Fleisch essen und hauptsächlich konventionell angebaute Ware konsumieren, noch viel höhere Werte. Das Ergebnis fand ich trotzdem schockierend, ehrlich gesagt.
"Ich kaufe nur noch Bio"
teleschau: Können Sie jetzt noch entspannt an einer Rübe knabbern, wo Sie doch wissen, dass sich so viele Schadstoffe aus den Böden auf die Lebensmittel übertragen?
Jaenicke: Ich schrubbe mein Gemüse jetzt ein bisschen gründlicher. Ich kaufe nur noch Bio, selbst wenn auch das nicht komplett schadstofffrei ist. Aber es gibt Berechnungen, dass Bio-Ware in etwa 80 Prozent weniger belastet ist als konventionelle Lebensmittel. Mein Schwiegerpapa ist leidenschaftlicher Selbstversorger und produziert in seinem Garten so viel Gemüse, dass er kaum noch etwas im Supermarkt kaufen muss. Und das schmeckt ganz anders als das, das man dort kauft.
teleschau: Bauen Sie auch selbst an?
Jaenicke: Nein, dazu fehlt mir die Zeit. Meine Mutter war eine begeisterte Hobbygärtnerin. Sie hat alles angebaut, Gemüse, Kräuter, Johannisbeeren, Brombeeren und sie hat sich auch weitgehend aus ihrem Gärtchen versorgt. Das habe ich nie hingekriegt, weil ich einfach zu viel unterwegs bin.
"Gute Lebensmittel haben bei uns einfach keine Wertschätzung mehr"
teleschau: Sie haben lange Zeit in den USA gelebt. Geht man dort mit dem Thema Boden anders um?
Jaenicke: Dank der Netflix-Doku "Kiss the Ground" von 2020 wird das Thema in den USA schon länger diskutiert. Es betrifft ja die Böden auf der ganzen Welt, und ich habe mich immer gewundert, warum außer Bio-Bauern, Bodenkundlern, Wissenschaftlern und alternativen Ärzten kaum jemand in Deutschland darüber redet. Es ist ja nicht nur die Vergiftung unserer Böden, die Überdüngung, die Übergüllung, der Pestizideinsatz, das Glyphosat, es ist ja auch diese unaufhaltsame Versiegelung. Wir vernichten jeden Tag Grünflächen in der der Größe von 75 Fußballfeldern. Wie lange wollen wir das machen, bis wir keinen Zentimeter Blumenwiese mehr haben?
teleschau: Wo müsste man ansetzten, um das Problem zu lösen?
Jaenicke: Es ist eine giftige Konstellation. Zunächst ist es der Sparfuchs-Verbraucher, der lieber teure Handys, teure Fernsehgeräte kauft und teure Autos fährt, als gesund zu essen. Gute Lebensmittel haben bei uns einfach keine Wertschätzung mehr. Außerdem haben wir eine Chemie- und Agrar-Industrie, die eng vernetzt ist. Auf den Agrarschulen wird den angehenden Landwirten beigebracht, dass ohne Pestizide wie Glyphosat nichts geht. Ohne Chemiedünger geht nichts, ohne Fungizide, Herbizide, Insektizide geht nichts. Es wird das unterrichtet, was der Chemieindustrie Geld in die Kasse spült.
teleschau: Es gibt aber auch Bauern, die dagegen kämpfen ...
Jaenicke: Natürlich, aber diesen Bauern wird das Leben und die Arbeit schwer gemacht. Auf Bio-Produktion umzustellen, ist aufwendig und teuer. Die konventionelle Nahrungsmittelproduktion wird immer noch massiv mit Subventionen gefördert, die sich nach der Landmasse und Betriebsgröße richten. Der Bauer mit den meisten Hektar, kriegt das meiste Geld, und er produziert auf Masse, nicht auf Qualität. Würde man es umgekehrt machen, dann wäre die Bio-Ware nicht mehr die teurere Variante und wir hätten nicht das grassierende Höfesterben.
"Es war unglaublich schwer, Leute zu finden, die mit uns reden wollten"
teleschau: Welche Schwierigkeiten sind Ihnen auf den Recherchen zur Doku begegnet?
Jaenicke: Es war unglaublich schwer, Leute zu finden, die mit uns reden wollten. Es hat anderthalb Jahre gedauert bis wir genügend Protagonisten vor die Kamera bekommen haben. Das war schwieriger als bei irgendeinem Film davor. Bio-Bauern haben abgesagt, da hieß es: "Mein Nachbar ist konventioneller Bauer, wenn ich mit Euch rede, macht er mir Stress." Konventionelle Bauern wollten nicht vor die Kamera, weil sie ziemlich genau wissen, was sie an Chemie ausbringen und wie sie produzieren. Viele leiden auch so unter dem Preisdruck der Lebensmittel-Industrie, dass sie gar keine Zeit haben, weil sie schlicht ums Überleben kämpfen. Insofern ist es absolut falsch, nur den Bauern den schwarzen Peter für den Zustand der Böden zuzuschieben.
teleschau: Welche Erkenntnisse fanden Sie auf ihrer Entdeckungsreise durch die Böden am erschreckendsten?
Jaenicke: Den Unterschied zwischen Bio, oder dynamisch-organischem Anbau, und konventioneller Produktion auf den Feldern vor Augen zu haben, fand ich krass. Das war nirgendwo so deutlich wie bei unserem Dreh in Österreich. Dort haben wir im Burgenland einen Bio-Winzer besucht, der seinen Wein nach dem Agroforst-Prinzip anbaut, also die Fläche mit Bäumen und Gebüsch kombiniert und Nutztiere darauf hält. In direkter Nachbarschaft liegt der Weinberg eines konventionellen Winzers. Wenn man die Flächen aus der Luft betrachtet, dann blüht und summt es auf der einen Seite auf einem wunderschönen und etwas chaotisch wirkenden Weinberg. Auf der anderen Seite sieht der Boden nach der Lese aus wie eine Mondlandschaft, in der kein Grashalm wächst. Damit die Fläche wieder nutzbar wird, liegt dort überall eine dicke Schicht von Düngekügelchen aus. Diese Stoffe gehen dann über den Boden in die Pflanze, in die Traube, in den Wein, aber auch ins Grundwasser und andere Gewässer. Und wir wundern uns über steigende Krebsraten? Das war für mich ein Augenöffner.
teleschau: Hebelt das nicht den Bio-Gedanken aus?
Jaenicke: Der Bio-Winzer hat einen Grünstreifen angelegt, also eine Art Pufferzone zwischen dem konventionellen Weinberg und seinem. Diese Leute geben sich wirklich Mühe, und wir haben da gleich kistenweise Bio-Wein nach Hause geschleppt, weil er so unglaublich gut war. Bio-Winzer haben Gott sei Dank eine Nische gefunden, in der Leute bereit sind, Geld für hochwertigen Wein auszugeben. Auch weil kein Agrarprodukt so massiv behandelt wird wie die Weintraube. Sie wird erschreckend oft und intensiv gespritzt.
"Der Verbraucher sollte nur das kaufen, was er tatsächlich konsumiert"
teleschau: Dann bleibt dem Bio-Bauern nur die eigene Überzeugung als Antrieb.
Jaenicke: Ich bewundere, dass Bio-Bauern sich das antun, saubere Produkte zu produzieren. Ein sehr engagierter, konventioneller Bauer aus Niedersachsen hat uns erklärt, dass ohne Glyphosat, ohne Dünger und Chemie, eine Ernährungssicherheit nicht zu gewährleisten ist. Wenn er das sagt, kann ich das zunächst nachvollziehen, weil es ja Massen an Menschen gibt, die ernährt werden wollen. Trotzdem halte ich dagegen, dass in etwa 50 Prozent der produzierten Lebensmittel weggeworfen werden. In der Doku zeigen wir zum Beispiel auch einen Wurm-Farmer aus Bayern, der mit seinen Methoden beweist, dass Wurmfabriken Dünger und Pestizide überflüssig machen können.
teleschau: Kann der Verbraucher etwas tun, um zur Verbesserung der Böden beizutragen?
Jaenicke: Definitiv. Er sollte nur das kaufen, was er tatsächlich konsumiert, und möglichst nichts wegschmeißen. Auch sollte er Plastikmüll vermeiden so gut es geht, den eigenen Stoffbeutel mitnehmen, die eigene Trinkflasche bzw. den eigenen Trinkbecher. Unsere Böden sind voller Mikroplastik. Im Weinbau ist es besonders krass, weil die Reben mit Plastikschnüren an den Drähten befestigt und Plastiknetze aufgehängt werden, um die Trauben gegen Vögel zu schützen. Diese Kunststoffe zerfallen irgendwann und landen im Boden. Deshalb ist der Weinberg der am stärksten mit Plastik belastete Acker in Deutschland. Man sollte auch möglichst viel Bio kaufen, regional, saisonal und, wie gesagt, nur das, was man wirklich isst.
teleschau: Ist das auch im Discounter möglich?
Jaenicke: Ja. Selbst Lidl und Aldi haben mittlerweile ein großes Bio-Angebot. Aber man muss aufpassen. Wo kommt die Ware her? Ist sie Bio-zertifiziert? Es ist ein bisschen Arbeit, man muss sich schlaumachen. Es gibt Marken und auch Supermarktketten, die frechen Etikettenschwindel betreiben, aber es gibt eben auch Marken und Leute, die nehmen das Thema ernst.
"Es kann nicht sein, dass wir immer größere Autos kaufen"
teleschau: In Ihrer Arbeit steckt die Vision von einer besseren Welt. Wie sieht die Welt aus, von der Sie träumen?
Jaenicke: Ich denke, dass wir dringend ein neues Wachstumsmodell brauchen. Das Mantra der Wirtschaft ist, wir müssen wachsen, wachsen, wachsen. Die Frage ist, wo sollen wir wachsen? Wie wir das momentan tun, geht es immer auf Kosten der Umwelt und der Natur. Wir sollten bei der Bildung, Gesundheit, Energieeffizienz, Ressourcenschonung und -effizienz, bei Biodiversität und im Pflegesystem wachsen. Es kann nicht sein, dass wir immer größere Autos kaufen, noch mehr Energie verbrauchen und noch mehr Fernreisen und Kreuzfahrten buchen. Das kann niemals nachhaltig sein. Das müssen die Leute einfach verstehen.
teleschau: Das heißt, sie Sie können nachvollziehen, dass sich die "junge Generation" auf dem Frankfurter Flughafen festklebt?
Jaenicke: Ich kann die Motivation verstehen, aber ich halte die Wahl der Mittel für falsch. Meines Erachtens muss man gewisse Konzerne und auch die Politik konsequent verklagen. Ich bin jetzt zum zweiten Mal an einer Klage gegen die Bundesregierung beteiligt. Die erste, bei der es um die Verschärfung des Klimaschutzes ging, haben wir vor drei Jahren in Karlsruhe gewonnen. Diesmal geht es um Biodiversität und Artensterben.
teleschau: Wie bleiben Sie bei Ihrer Arbeit optimistisch?
Jaenicke: Wir haben so tolle Leute gefunden, die wirklich etwas bewegen und verändern: kleine Bauern, Winzer, Wissenschaftler, Aktivisten. Ich glaube, dass deren Arbeit und Engagement langsam in das Bewusstsein der Menschen eindringt. Und ich glaube nach wie vor, dass Dokumentarfilme etwas bewegen können. Wir diskutieren gerade, welche Themen wir in den nächsten Filmen bearbeiten. Dringend ist zum Beispiel der Schutz der Meere, der Korallen und Fischbestände. Oder unser Umgang mit Wäldern. Die Themen gehen uns nicht aus.