Über Nacht berühmt geworden...! Wenn diese Redewendung zutrifft, dann auf Sonja Kirchberger. Ja, die Österreicherin wird wirklich über Nacht zum Star, nachdem der deutsche Regisseur Robert van Ackeren sie in den 1980er-Jahren zufällig entdeckt hat. "Zufällig", dieses Wort wird hier und da kolportiert, van Ackeren selbst ist da konkreter: In einem "Möbelkatalog" sei ihm das Model, als die Kirchberger damals neben ihrer Arbeit als Zahnarztassistentin gejobbt hatte, aufgefallen. Konkret oder doch verschleiernd? Die Schauspielerin selbst findet andere, um nicht zu sagen: entlarvende Worte: Kein Möbelkatalog sei das gewesen, sondern ein Erotikmagazin.

Überhaupt beschleichen einen lauter abgedroschene Sprachbilder, will man die Gedanken über Kirchberger in Worte fassen. Segen und Fluch ist eins davon. Ihre Rolle als verführerische junge Frau in "Die Venusfalle" beschert ihr zwar den großen Durchbruch (Segen), andererseits wird sie die Rolle nicht mehr los (Fluch). Der Film prägt ihr Image dauerhaft. Kirchberger gilt fortan als Sexsymbol. Sie ist jung, sie ist schön, sie ist kurvenreich. Kann sie aber schauspielern? Eine Kritik zum Erotikfilm in der "Zeit" gibt seinerzeit die Meinung vieler wieder: "Als Körper ist Miss Kirchberger ein voller Erfolg, als Schauspielerin eine Katastrophe."

Das wenig schmeichelhafte Urteil über ihre schauspielerischen Fähigkeiten wird der Kirchberger nahegegangen sein. Aber was ist mit dem Beharren auf ihrem Äußeren? Hat sie wirklich etwas dagegen? Anfangs kaum. "Was ich will, ist sehr wohl ein Sexsymbol zu bleiben, aber eines mit charakterstarken Rollen", sagte sie Mitte der 1990er-Jahre. "Erotik stellt ja nicht nur ein nackter Körper her, sondern auch die dazugehörige Seele". Eine schöne Welt wäre das, nur leider sind die meisten Rollen, die Kirchberger nach der "Venusfalle" erhält, alles andere als beseelt. "Da waren Drehbücher dabei", sagte sie einst ernüchtert, "so etwas kann man sich gar nicht vorstellen."

Raus aus der "Venusfalle"

Letztlich will sie sich doch aus der "Venusfalle" befreien. Talent für das Künstlerische und Schöpferische hat sie immerhin, lernt sie doch schon als Kind klassischen Tanz und tanzt dann jahrelang, genauer: von 1974 bis 1978 am Ballett der Wiener Oper. So etwas schafft man nicht völlig talentfrei. Kirchberger setzt einiges daran, auch als Schauspielerin beachtet zu werden. Sie geht nach Los Angeles und studiert hier Schauspielerei und Gesang.

Dann weitet sie ihr Repertoire aus, spielt nicht nur fürs Kino, sondern auch für Theater und Fernsehen. Und man merkt: Die Rollen, die sie wählt, sind ein Kampf um Distanz, ein Bemühen ums Abschütteln dessen, was sie sich mit der "Venusfalle" eingebrockt hatte. Die Rollen werden eckiger und kantiger, die Filme vielschichtiger und doppelbödiger. Zwar lässt sie in Dieter Wedels "Der König von St. Pauli" einmal mehr die Hülle fallen, doch auf der anderen Schale der Waage liegt eben die Zusammenarbeit mit einem der renommiertesten Fernsehmacher hierzulande.

Auch die Fernsehfilme sprechen fortan Bände. In "Der Runner" spielt sie eine skrupellose Organhändlerin, in "Kill Me Softly" eine Polizistin. Noch bemerkenswerter ihr Charakter in Matthias Tiefenbachers Melodram "Die Liebende": eine Porno-Darstellerin, die abseits des Filmsets darum kämpft, ihrem Sohn eine gute Mutter zu sein. Ist das die Rolle, die sich Kirchberger einmal gewünscht hatte, eine Sexbombe mit Seele? Jedenfalls sei diese Figur eine "vielschichtige Person, eine Frau, die nicht sofort zu verstehen ist". Eine Frau also, wie es sie auch im Leben geben kann. Keine Schablone, kein Filmklischee, sondern ein echter Mensch.

Schauspielerin und Mutter

Als Privatmensch erlebt sie ebenfalls Höhen und Tiefen: Als ihr Sohn Lee Oscar - das erste Kind, Tochter Janina, wird 1985 geboren - 1998 viel zu früh zur Welt kommt, bangt sie um das Leben des Kleinen. Die verzehrende Erfahrung wird sie nicht mehr loslassen. Noch 15 Jahre später spricht sie darüber mit dem Boulevardblatt "Gala": "Die acht Wochen, in denen man mir nicht sagen konnte, ob mein Kind am nächsten Tag noch leben wird, stecken mir heute noch in den Knochen. Gerade gestern erst musste ich wieder deswegen weinen."

Kirchberger geht in ihrer Mutterrolle auf. Die Kinder werden bei der Umsetzung der Karrierepläne immer berücksichtigt. Als sie damals, am Anfang ihrer Karriere, zur Schauspielschule nach Los Angeles geht, ist Tochter Janina mit dabei. Und auch später werden sie und ihr Bruder das Berufsleben ihrer Mama bestimmen. "Ich versuche, die Drehorte so auszuwählen, dass ich nah bei ihm sein kann", sagt Kirchberger als 36-Jährige über den damals zweijährigen Lee Oscar.

Was aber ist aus der Karriere nach den ersten Höhenflügen geworden? An den Erfolg der "Venusfalle" kann Kirchberger nie mehr anknüpfen. Und auch das Image der Sexbombe wird von der Zeit verweht - diesem Schicksal kann auch sie nicht entrinnen. Was ihr bleibt, ist das Fernsehen, wo sie bis heute präsent ist - angefangen mit Serienrollen wie in "Ein Fall für zwei" und "Die Bergretter" bis hin zu den Niederungen des deutschen TV, den Auftritt in "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" inbegriffen. Ein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen? Eher wird Kirchberger die Lage auch heute so einschätzen am Anfang ihrer Karriere. Damals sprach sie von ihrem Lebensmotto: "Lieber klein drin als groß raus."

Das klingt nach Ausgeglichenheit. Beste Voraussetzungen also, um am 9. November den großen Tag, den 60. Geburtstag zu feiern. Das wird Kirchberger höchstwahrscheinlich an dem Ort tun, den sie als ihre Heimat bezeichnet: auf Mallorca. Hier hat sie einen eigenen Bauernhof, der nicht weniger als 300 Olivenbäume umfasst und wo man auch das eine oder andere Huhn gackern hört. Es sei ihr Lieblingsplatz, sagte sie im Interview mit der "Gala", ihr "Paradies".