"Viele nennen meine Erzählungen kitschig", pflegte Rosamunde Pilcher gerne zu sagen, "aber das berührt mich nicht sonderlich." Zum Wesen einer Legende gehört es eben auch, über die Auseinandersetzung mit der Kritik erhaben zu sein. Rosamunde Pilcher hat sich diesen Status mit einem Oeuvre erarbeitet, das seinesgleichen sucht. Jetzt ist die Grande Dame unter den Liebesroman-Autorinnen verstorben. Die aus Lelant, Cornwall, stammende Schriftstellerin (sie erlag am 6. Februar 2019 94-jährig den Folgen eines Schlaganfalls) wurde am 22. September 1924 geboren, heute wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Mit mehr als 60 Millionen weltweit verkauften Büchern zählt die Pilcher zu den erfolgreichsten Autorinnen der Gegenwart - über 170 Filme basierten bereits auf ihren zahlreichen Erzählungen und Motiven. Mit der Marke "Rosamunde Pilcher" etablierte das ZDF am Sonntagabend eine Filmreihe, die nicht nur regelmäßig für Traumquoten sorgt, sondern auch den idealen Gegenpol zum meist harten, realistischen ARD-"Tatort" und den lärmenden Hollywood-Blockbustern bei den Privaten bildet. Rosamunde Pilcher - der Name steht für was: für nette Unterhaltung, Herzschmerz und englische Schlossromantik. Ein Ende ist nicht abzusehen: Die diesjährige Pilcher-Saison im ZDF startet am Sonntag, 6. Oktober, mit dem Film "Verliebt in einen Butler".

Das Erstaunliche: Rosamunde Pilcher stürmte die Bestseller-Listen erst im Alter von 63 Jahren. Ihr Buch "Die Muschelsucher" stieß 1987 auf überwältigende Resonanz. Der erste Pilcher-Film lief dann bereits Ende 1993 im deutschen Fernsehen und lockte über acht Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Die finanziellen Verhältnisse der alten Dame haben sich durch ihren späten Erfolg zwar schlagartig verändert, trotzdem blieb sie bescheiden. Das Größte, was sie sich von dem vielen Geld gekauft habe, sei ihr Haus in Dundee gewesen: "Was nützt mir in meinem Alter ein teurer Sportwagen vor der Tür? Ich passe doch wohl besser auf meinen kleinen Traktor, den ich mir von meinem ersten Geld für meinen Garten gekauft habe."

Sie schrieb seit ihrem 15. Lebensjahr

Die Wahlschottin schrieb bereits seit ihrem 15. Lebensjahr. Nach der Schule meldete sich Rosamunde Pilcher 1942 als Sekretärin zum Kriegsdienst bei der Marine und trat während des Zweiten Weltkrieges dem "Women's Royal Naval Service" bei. Bevor sie 1946 ihren Mann Graham heiratete, mit dem sie nach Schottland zog, arbeitete sie im Außenministerium. Neben ihrer späteren Tätigkeit als Hausfrau und Mutter von vier Kindern flüchtete sich Rosamunde Pilcher durch das Schreiben von Kurz- und Liebesgeschichten in eine Traumwelt. Immer, wenn ihr das Familienleben über den Kopf wuchs, zog sie sich mit ihrer alten Schreibmaschine ins Arbeitszimmer zurück: "Das Schreiben hat, obwohl es zwischenzeitlich sehr einsam macht, meine Ehe gerettet", sagt die Autorin selbst. "Eine gute Ehe, denn immerhin hielt sie über 60 Jahre." 2009 starb ihr geliebter Ehemann Graham.

Die malerische Umgebung und die Menschen von Cornwall waren stets die Stoffe ihrer Geschichten. Die Beschreibung der Personen mit ihren Äußerlichkeiten, Vorzügen und Schwächen waren ihr dabei immer "wichtiger als das, was die Figuren sagen". Den Erfolg ihrer Bücher sah die Britin in der Natürlichkeit ihrer Charaktere: "Ich habe von ganz normalen Menschen erzählt, von Liebe und Glück, von Eifersucht und Trennung, von Schicksalsschlägen, wie sie jeder kennt. Bei mir fanden Sex, Gewalt und Verbrechen nicht statt. Alle sehnen sich doch nach einer heilen, harmonischen Welt! Wenn man den Buchdeckel eines meiner Bücher öffnet, wird man nicht deprimiert. Man wird auch nicht durch Horror oder Mord in Atem gehalten. Stattdessen kann man sich ins Bett legen und in eine andere Welt entfliehen."

Diese von manchem als kitschig bezeichnete Idylle habe sie aber nicht bewusst kreiert, betonte die Star-Autorin. Sie habe einzig und allein über das geschrieben, was sie selbst erlebt habe: "Über die anderen Aspekte des Lebens konnte ich nichts sagen - das harte Stadtleben, Drogen oder Armut. Ich hatte Glück im Leben und habe so etwas nie kennengelernt."

Keine Gedanken mehr an die Zukunft

Im Alter von 87 Jahren verkündete Rosamunde Pilcher dann, dass sie nun endgültig mit dem Schreiben aufhören würde, da sie sich einfach zu alt fühle, um noch einmal anzufangen zu arbeiten. Danach freute sie sich, "nur noch die Drehbücher zu den Filmen lesen zu müssen. Ansonsten bin ich in die Produktion ja gar nicht eingebunden." Seit jeher war die Lady mit den Verfilmungen ihrer literarischen Vorlagen nach eigener Aussage übrigens sehr zufrieden.

Auch mit über 90 Jahren war Rosamunde Pilcher noch erstaunlich fit und bewältigte den Alltag in ihrem "kleinen Haus mit großen Garten" so gut wie alleine, wie sie einst im Interview darlegte. An die Zukunft wollte sie keine Gedanken mehr verschwenden: "Die lasse ich einfach auf mich zukommen. Da werden keine Pläne mehr gemacht. Wenn es einmal mit mir zu Ende gehen sollte, möchte ich einfach im Garten zwischen meinen blühenden und duftenden Blumen umfallen."

"Pilcher-Filme sind Märchenfilme"

Fragt man Michael Smeaton, den inzwischen selbst legendären Produzent der Pilcher-Dramen im Zweiten, danach, wie "Rosamunde Pilcher" zum Dauerbrenner im deutschen Fernsehen avancieren konnte, verweist er auf den besonderen Zauber der oft zu Unrecht als seicht abgetanen Streifen: "Ich vermute, dass wir - ohne es groß geplant zu haben - einen besonderen Wunsch einer großen Zuschauerschaft erfüllen: den Wunsch nach Unterhaltung. Viele Leute wollen etwas sehen, das sie nicht mit den alltäglichen Unbilden des Lebens konfrontiert, sondern sie auch ein bisschen träumen lässt", erklärte Smeaton unlängst im Interview mit der Agentur teleschau: "Ich sage immer: Pilcher-Filme sind Märchenfilme." Smeaton: "Sie sind fiktive und verlässliche Rückzugsorte für die Zuschauer und Zuschauerinnen und bieten ihnen einen 'Urlaub' sowie eine Pause vom Alltag." Natürlich wisse das Publikum, "dass ihre Realität eine andere ist".

Der Produzent erinnert sich noch gut an die regelmäßigen Treffen mit Rosamunde Pilcher: "Rose war ein bodenständiger Mensch und gleichzeitig eine Grand Dame, die in ihren Geschichten noch ewig weiterleben wird." Er habe schon oft darüber nachgedacht, was er ihr anlässlich ihres Geburtstags sagen würde, fährt er fort: "Wahrscheinlich würden wir mit einem guten schottischen Whisky anstoßen und über unsere gemeinsamen Highlights sprechen."