"Musst kissen Herrn Pfarrer, sonst ist geleidigt!" - Mit Sätzen wie diesen spielte sich Liselotte Pulver 1955 in die Herzen der deutschen Zuschauer. Als ungarisches Bauernmädchen in "Ich denke oft an Piroschka" bewies die 1929 in Bern geborene Schauspielerin früh ihr sprachliches und schauspielerisches Talent. Selbst die rein ungarischen Sätze in dem Nachkriegs-Lustspiel klangen authentisch - zumindest für das deutsche Gehör. Den Höhepunkt ihrer Karriere erlebte die burschikose Frohnatur in den 50er- und 60er-Jahren, sogar ein mehrjähriger Ausflug nach Hollywood gelang der Darstellerin. Am 11. Oktober wird "Lilo" Pulver, ein Star, der auch wegen seines einzigartigen Lachens in die Filmgeschichte einging, 95 Jahre alt.
Das Wichtigste vorweg: Der Jubilarin geht es offenbar gut, und ihren viel gerühmten Humor hat sie wohl auch nicht verloren. "Am meisten wünsche ich mir Gesundheit - und eine Million", sagte die heute in einer Seniorenresidenz lebende Schauspielerin jedenfalls unlängst im Interview mit der Schweizer "Glückspost". Nun träume sie sogar noch einmal von einem neuen Mann. "Die Hoffnung stirbt zuletzt - er müsste schön, reich und lustig sein", ließ sie sich zitieren.
Für den ARD-Dokumentarfilm "Lilos Lachen" gab Lilo Pulver vor fünf Jahren ein Exklusivinterview, in dem sie frank und frei verriet: "Ich wollte eigentlich immer eine Sexbombe sein!" Dass es ein wenig anders kam und sie damals dem eher runderen Schönheitsideal der Frau überhaupt nicht entsprach, setzte der jungen Lilo Pulver ganz schön zu. Im Gegensatz zu der gleichaltrigen Nadja Tiller etwa sei sie ein "Brett" gewesen, scherzte die Pulver einst, die seit 1995 ("Das Superweib") nicht mehr vor der Kamera stand. Zwar hatte sie 2007 einen Cameo-Auftritt in dem Remake von "Die Zürcher Verlobung", den Beruf der Schauspielerin aber hat sie schon vor langer Zeit hinter sich gelassen.
Bekannt und beliebt wurde Liselotte Pulver in der Tat für ihr Lachen, mit dem sie die Zuschauer anzustecken wusste. Das komische Talent, das Grimassenschneiden, waren Ausdruck einer Leichtigkeit und Unbefangenheit, die das Wesen der Schauspielerin ausmachten. Ihre unkompliziert wirkende Art und ihre jungenhafte Erscheinung brachten ihr im Laufe ihrer Karriere jede Menge "Hosenrollen" ein. Mit untypischen Frauenfiguren leistete sie gewiss einen emanzipatorischen Beitrag.
Zusammen mit dem Regisseur Kurt Hoffmann drehte sie eine Vielzahl von Kassenschlagern ("Das Spukschloss im Spessart", "Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull") und verwies eine Zeit lang so die Konkurrenz auf die Plätze. Ihre späteren Rollen in Frankreich verdankte sie schlicht ihrem Marktwert. Mit Gagen von 250.000 Mark ließ sie auch in dieser Hinsicht viele Konkurrenten hinter sich.
Schicksalsschläge im Karriere-Spätherbst
Zwei Schicksalsschläge im Spätherbst der Karriere sorgten dafür, dass sich der nie als Diva agierende Star fast vollkommen aus der Öffentlichkeit zurückzog. Der rätselhafte Freitod ihrer Tochter Melisande 1989 und der Verlust ihres Ehemannes Helmut Schmid drei Jahre später ließen die Pulver vereinsamen. "Freunde", sagte sie einmal, habe sie nur wenige.
Lange Zeit lebte "Lilo" in ihrer Villa am Genfer See. Später zog sie schließlich in ein Seniorenheim nach Bern, welches sie allerdings 82-jährig verließ, um wiederum nach Genf zu ziehen. Ihr Sohn und dessen Familie seien stets eine wichtige Stütze für sie gewesen, sagte die große Schauspielerin, die im Oktober 2013 bei einer Gala in Dortmund den Steiger-Award erhielt. Im November 2018 war ihr immer noch ansteckendes Lachen dann noch einmal in aller Öffentlichkeit zu sehen: Als "Lilo" Pulver den Bambi für ihr Lebenswerk entgegennahm, wurde sie als "Das Lachen der deutschen Filmgeschichte" angeteasert. "Es ist schon eine tolle Sache, wenn man in einem so hohen Alter so geehrt wird", gab sie in der kurzen Dankesrede zum Besten.
Liselotte Pulvers großer Durchbruch war der Spielfilm "Ich denke oft an Piroschka" (1955). Am Samstag, 12. Oktober, 20.15 Uhr wiederholt das BR-Fernsehen anlässlich des Ehrentags ihren zweiten großen Erfolg: "Das Wirtshaus im Spessart" von 1958 von Regisseur Kurt Hoffmann. Lilos Hosenrolle als Franziska Comtesse von und zu Sandau ist nicht weniger als ein Stück Filmgeschichte.